„Wer Intimität mit Anderen sucht, liebt seinen Partner nicht wirklich.“ Solche und ähnliche Sätze stehen unter Artikeln über Polyamorie. Ist die offene Beziehung vielleicht einfach nur Angst vor Konsequenz und der Wunsch, alles zu haben und auf nichts verzichten zu wollen?
Nein. Ich beneide Menschen, die solche Sätze schreiben. „Liebe ist diesunddas“, oder „Dasundas ist doch keine echte Liebe“ – die scheinen die Weisheit gepachtet zu haben und ganz genau zu wissen, wie „echte“ Liebe geht. Wenn meine Liebe mehr wert ist, weil ich für sie auf etwas verzichte – was sagt das dann über meine Liebe aus? Ganz ehrlich: Wenn meine Liebe so abhängig von sexueller Exklusivität ist, dass ich sie abschotte und einzäune wie einen Häftling, ist sie für mich eher weniger wert.
Provokant gefragt: Verwechseln Menschen in offenen Beziehungen nicht einfach Liebe mit Sehnsucht und Leidenschaft?
Im Gegenteil: Sie wissen ganz genau, was sie an ihrem Partner haben. Dass er oder sie ihnen diese Abenteuer, diese Leidenschaft mit anderen ermöglicht, steigert ihre Liebe. Es macht sie ehrlicher und tiefer. Schwer vorstellbar, ich weiß, aber in allen anderen Bereichen sind wir zum Glück heute auch dafür, offen miteinander zu reden. Nur in Sachen sexuelle Exklusivität nicht.
Ein Blick in die Zukunft der Beziehungsmodelle: Auf der einen Seite der Wunsch nach Mehrgenerationenhäusern, auf der anderen Patchwork-Beziehungen und -Familien. Wie gut können solch verschiedene Strömungen miteinander funktionieren?
Wunderbar, glaube ich, wenn wir uns nur davon frei machen, das eine gegen das andere aufzurechnen. Glück ist nicht die Frage von „richtig“ oder „falsch“. Glück muss man auch zulassen können. Dass sich dabei Konstellationen vermischen, dass man nicht unbedingt mit dem Menschen alt wird, mit dem man zusammen jung war, ist nichts Verkehrtes. Wie langweilig wäre es denn, immer derselbe Mensch zu bleiben?