Mein Partner hatte eine schlimme Kindheit – ist er jetzt für immer beziehungsunfähig?

Von der Wüste ins Grünland

Es ist wichtig, unserem Partner in einer langfristigen, stabilen Beziehung auch Einblicke in unsere Schattenseiten und blinden Flecke zu gewähren. Dazu kann auch die eigene Kindheit gehören. Dies fördert das gegenseitige Verständnis und Vertrauen. Wir erfahren so, welchen Lebensweg unser Partner bisher gegangen ist und ob es sich um einen Marsch durch die Wüste oder aber eine grüne Hügellandschaft gehandelt hat. Im ersten Fall sollten wir uns aber davor hüten, ihn auf die Wüste zu reduzieren. Unser Partner ist derjenige Mensch, der uns im Hier und Jetzt gegenübersteht. Die Vergangenheit hat ihn geprägt, aber das heißt nicht, dass er in der Gegenwart nicht ein anderer Mensch sein beziehungsweise werden kann. Ein Mensch, der den Kampf mit den „eigenen Dämonen“ aufnimmt und gewinnt.

Es ist leicht – und derzeit offenbar sehr beliebt – zu sagen: „Ich bin beziehungsunfähig, daran kann ich nichts ändern.“ In einigen wenigen Fällen mag es sogar stimmen, dass eine Person große Probleme damit hat, eine funktionierende, intakte Beziehung einzugehen und die Ursachen für diese Probleme in früheren Erfahrungen zu suchen sind. Aber was ist damit gewonnen? Der Wunsch, mit anderen Menschen in Beziehung zu treten, ist damit ja nicht aus der Welt geschafft. Das permanente Scheitern von kurzen Beziehungsepisoden macht eine betroffene Person ja schließlich nicht glücklich. Die Ausrede der „Beziehungsunfähigkeit“ entlastet zwar kurzfristig von der inneren Angst vor den vermeintlichen Folgen zukünftiger Beziehungen. Aber eine Lösung sind Selbst- und Fremdpathologisierung nicht.

Labels bringen uns nicht weiter!

Also: Entsorgen wir unsere kruden Selbst- und Fremdlabels! Der Begriff sagt eigentlich schon alles: „ent‑sorgen“. Wenn wir uns selbst und unseren Partner als freie Menschen betrachten, die durch ihre Vergangenheit geprägt (und manchmal leider auch malträtiert) wurden, schaffen wir einen Raum der Möglichkeiten, in dem wir uns zusammen entfalten können. Das ist das Wesen der Selbstverantwortung.

Dabei ist es wichtig, auf „Altlasten“ Rücksicht und sie als Fakten ernst zu nehmen. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie ein jedes Verhalten (von beiden Seiten!) rechtfertigen. Das wäre Fatalismus, der Glaube an die Unveränderlichkeit des Schicksals. Damit würden wir unser persönliches Lebens- und Beziehungsglück bloß vom Zufall abhängig machen. Und das kann nicht gutgehen.


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