Mein Partner hat Zwänge – was soll ich tun?

4) Denke auch an dich selbst

Mache dir regelmäßig bewusst, wie stark du selbst unter den Zwängen deines Partners leidest. Das gilt insbesondere dann, wenn dieser dich auffordert, sich seinen Zwangsritualen „zu unterwerfen“ und „mitzumachen“ (z.B. sich nach dem Nachhausekommen jedes Mal komplett ausziehen, duschen und die „kontaminierte“ Wäsche sofort waschen). Du musst nicht ALLES ertragen und mitmachen! Du hast ein Recht auf Selbstfürsorge und Selbstschutz! Weise dabei niemals deinen Partner als Person zurück, sondern stets nur die Zwänge. Entziehe dich weitgehend den Zwangsritualen des Partners. Gib für ihn nicht dein Leben auf. Kommuniziere deine Bedürfnisse und gehe keine falschen Kompromisse ein, die in Wirklichkeit nur die Zwänge des Partners noch weiter verstärken.

5) Bleib respektvoll, auch wenn es manchmal anstrengend ist und du „kein Land mehr siehst“

Begegne deinem Partner mit bedingungslosem Respekt und erwarte nichts Übermenschliches von ihm. Sätze wie „Stell dich nicht so an!“, „Hör doch mal auf mit dem Quatsch!“, „Streng dich halt mal ein bisschen an!“ und „Du willst einfach nichts ändern, oder?!?!“ bringen nicht nur nichts, sie verletzen dein Gegenüber und führen dazu, dass es sich eher noch mehr verschließt.

6) Lobe und motiviere – und manchmal ist „einfach da sein“ schon enorm hilfreich

Lob Fortschritte raus aus den Zwängen, steh deinem Partner bei. Kleine Gesten, geschenkte Aufmerksamkeit und Präsenz sind immer gut.

7) Lass deine Gefühle zu, auch die unangenehmen

Gestehe dir gelegentliche (oder häufige) eigene starke emotionale Reaktionen zu, z.B. Wut und Ärger, Trauer und Ohnmachtsgefühle. Diese sind normal und völlig verständlich. Du brauchst sie nicht „wegzumachen“.

8) Informiere dich, hol dir ggf. Hilfe

Informiere dichüber das Krankheitsbild. Im Internet findest du zahlreiche kostenlose Informationsmaterialien für Angehörige. Des Weiteren gibt es etliche Publikationen in Buchform für Partner und Familienangehörige von Betroffenen.1 Ein guter erster Anlaufpunkt ist auch die Webpräsenz der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V.

Zusammenfassung

Zwangsstörungen können Beziehungen stark belasten. Wenn dein Partner unter Zwängen leidet, ist eine Psychotherapie angeraten oder zumindest eine ärztliche bzw. psychotherapeutische Abklärung. Gefühle von Ohnmacht, Wut und Überforderung bei Angehörigen sind völlig normal und verständlich. Motiviere respektvoll, hol dir aber gegebenenfalls auch selbst Unterstützung und vergiss vor allem nicht dein eigenes Leben und deine Bedürfnisse. Wie heißt es in Flugzeugen? „Im unwahrscheinlichen Fall eines Druckverlustes fallen automatisch Sauerstoffmasken aus der Kabinendecke. Ziehen Sie die Maske ganz zu sich heran und drücken Sie sie fest auf Mund und Nase. Helfen Sie danach Kindern und hilfsbedürftigen Menschen.“ Häufig geht beides ja auch parallel.

Buchempfehlungen

  • 1 M. Rufer, S. Fricke (2016): Der Zwang in meiner Nähe: Rat und Hilfe für Angehörige von zwangskranken Menschen. Hogrefe.
  • 1 H. Reinecker (2016): Ratgeber Zwangsstörungen: Informationen für Betroffene und Angehörige. Hogrefe.

Quellen

  • M. Berking & W. Rief (2012). Klinische Psychologie und Psychotherapie. Band 1. Springer.
  • S3-Leitlinie Zwangsstörungen: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-017.html

Verwendet wird das generische Maskulinum: Stets sind alle Geschlechter gemeint, wenn nicht anders angegeben.

Dieser Artikel dient nur der allgemeinen Information, nicht der Diagnostik oder Paarberatung. Er wurde gewissenhaft recherchiert, dennoch erhebt er weder Anspruch auf Vollständigkeit noch kann die Aktualität, Richtigkeit und Ausgewogenheit der dargebotenen Information garantiert werden.

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