Liebe ist eine großartige Zumutung – die muss man wollen

Paartherapeut Holger Kuntze nennt in seinem Buch „Lieben heißt wollen“ die Paarbeziehung die „großartigste Zumutung des Universums“. beziehungsweise wollte wissen, worüber sprechen wir denn eigentlich, wenn wir von Liebe sprechen?

Eric Hegmann: Liebe in Zeiten von Dating-Apps und WhatsApp: Nie war Verlieben so einfach. Aber dennoch gibt es fast 18 Millionen Singles in Deutschland. Warum entstehen aus so wenigen Begegnungen dauerhafte Beziehungen?

Holger Kuntze: Einerseits weil nicht alle Menschen zusammenpassen und sich auch gar nicht ineinander verlieben. Andererseits, weil die Erwartungen an eine Partnerschaft – und ich sage hier sehr bewusst nicht „an den Partner“ – einfach zu hoch, unrealistisch und falsch sind. Für viele Menschen soll eine Partnerschaft eine Art immerwährende Erlösung, Freude und Vergnügung sein. Und diesen Anspruch kann weder eine Partnerschaft noch ein Partner erfüllen.

Viele Paare trennen sich schon beim ersten kleinen Konflikt. Andere Paare verharren in einer schmerzhaften und aussichtslosen Situation. Wie viel Leid gehört zur Liebe?

Beide Reaktionen sind nicht angemessen. Die schnelle Trennung ist Ausdruck mangelnder Frustrationstoleranz, in den Vokabeln der Inneren-Kind-Schule eine Reaktion des unreifen, trotzigen Inneren Kindes. Und das Verharren in einer schmerzhaften Beziehung ist Ausdruck zu hoher Frustrationstoleranz, eine Reaktion des unsicheren, ängstlichen Inneren Kindes.

Liebe sollte in Summe kein Ort für Leid sein. Wir schulden unserem Partner unsere Wahrhaftigkeit und unser Engagement. Das heißt mein Partner muss wissen, wo ich stehe, was ich mir wünsche, wozu ich bereit bin und umgekehrt. Und mein Partner muss bereit sein, mich in meiner Wahrhaftigkeit, meinen Wünschen und Plänen zu unterstützen beziehungsweise deutlich sagen: Ich kenne Deinen Wunsch, aber hierzu stehe ich nicht zur Verfügung. Das hört sich beim ersten Mal vielleicht grausam an, ist aber in Wahrheit eine beziehungsvertiefende Rückmeldung, da ich, auch wenn mir der Wunsch nicht erfüllt wird, mich trotzdem gesehen und gehört fühle und mich dazu wieder entsprechend verhalten kann. Die meisten Paare drücken sich aber vor dieser gegenseitigen Wahrhaftigkeit und verstecken sich vor klaren Stellungnahmen, was viel grausamer ist als ein klares Ja oder Nein.


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