Immer erreichbar für die Karriere? Mit Blackberry & iPhone ins Bett? Da ist Schluss mit lustig, sagt Gastautor Dr. Bernd Slaghuis
Der Küchentisch wird zum Feierabendbüro und das Smartphone übernachtet auf dem Nachttisch. Viele Beziehungen werden zum Nebenjob. Warum Sie im Feierabend besser abschalten und Ihre Beziehung pflegen sollten:
„Schatz, ich muss kurz die Mails für morgen checken, dann komme ich ins Bett.“ Klingt absurd, ist aber oft gelebte Wirklichkeit. Der Feierabend hat längst ausgedient, stattdessen vermischen sich Beruf und Freizeit immer stärker miteinander. Dank Smartphone & Co. sind wir heute immer und überall auf der Welt für den Chef und die Kollegen erreichbar.
Karriere geht vor Beziehung? Das ist ein Fehler
Die Erreichbarkeit ist das eine. Kommt hinzu, dass das Büro regelmäßig am Abend oder morgens vor dem Frühstück am Esstisch aufgeschlagen wird, ist in vielen Beziehungen Schluss mit lustig.
Verrückte Welt?!
Freuen Sie sich, Ihre Kinder abends ins Bett zu bringen, um danach endlich ungestört die Präsentation für morgen fertig zu bekommen? Läuft bei Ihnen sonntags abends beim gemeinsamen Tatort gucken im Kopf schon der Film von Mord und Totschlag mit den Kollegen im gehassten Montags-Meeting ab? Liegt Ihr Chef via Smartphone auf dem Nachttisch näher bei Ihnen als Ihr Partner oder Ihre Partnerin im Bett? Ist Ihr erster Gedanke morgens nach dem Aufwachen „Mails checken“ und nicht „Guten morgen, mein Schatz“? Verbringen Sie in Ihrer Freizeit mehr Zeit mit beruflicher Kommunikation als mit Gesprächen in der Familie oder mit Freunden?
24/7-Erreichbarkeit ist kein Karriere-Turbo!
Weshalb sind unsere Prioritäten oftmals heute im wahrsten Sinne des Wortes so verrückt? Warum glauben wir, dass unsere Beziehung zum Chef und zum Job so viel wichtiger ist als die Beziehung zu unserem Partner? Lohnt es sich überhaupt, so viel Energie in die Karriere zu stecken und damit oft sogar die Beziehung aufs Spiel zu setzen?
Gerade Männer verstehen sich in ihrer Rolle in der Familie häufig noch als Ernährer und Beschützer des eigenen Rudels. Das klingt für Sie als Frauen jetzt nach verstaubtem Rollenbild, ist aber dennoch in vielen männlichen Köpfen so noch verankert – und erzeugt großen Druck. Stattdessen für das gemeinsame Leben partnerschaftlich die optimale Arbeits- und Lebenssituation zu finden, gelingt in vielen Beziehungen heute noch nicht. Die häufige Folge: Karriere geht vor Beziehung.
Vergessen Sie nicht, was Ihnen Kraft gibt
Heute wünschen sich viele Angestellte flexible Arbeitszeiten – und bekommen sie auch. Mit allen Vor-, aber auch Nachteilen. Denn wir haben es in den letzten 30 Jahren des rasanten technologischen Fortschritts nicht gelernt, unsere Arbeits- und Lebenszeit selbstverantwortlich und gesund zu managen. Die Folge: Das Gefühl von ständigem Zeitmangel, Dauer-Stress und persönlicher Überforderung – sowohl im Job als auch im Privatleben.
Viele Menschen vergessen heute, was ihnen Kraft gibt. Die regelmäßigen Erholungsphasen, die unser Köper so dringend benötigt, werden nicht nur zunehmend kürzer, sie werden aktiv verdrängt: Nicht so wichtig! Das Abschalten fällt mit zunehmender Dynamik im Job und auch bei der Freizeitgestaltung schwerer denn je. Abschalten bedeutet mehr als Smartphone im Nachtmodus und Abmelden von Facebook. Es geht um Abschalten im Kopf. Es geht um Umschalten vom Programm Arbeit auf das Programm Beziehung und Familie. Doch diesen Umschaltknopf müssen Sie selbst finden und drücken. Im Beruf erfolgreiche Menschen haben diesen Knopf gefunden. Sie tanken neue Energie in ihrer Beziehung, mit dem Partner, den Kindern oder mit Freunden. Energie, die sie benötigen, um am nächsten Tag wieder einen guten Job machen zu können.
3 Tipps, wie Sie richtig abschalten:
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Etablieren Sie Abschalt-Routinen
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wenn Sie sich entscheiden, nur mal ab und zu abends keine Mails mehr zu prüfen oder das Handy auszuschalten, werden Sie es auf Dauer nicht schaffen. Die Forschung sagt, dass wir uns nach etwa 3 Wochen an eine Veränderung gewöhnt haben. Hier heißt es durchhalten! Eine Routine könnte sein, dass Sie auf dem Weg nach Hause den Arbeitstag noch einmal Revue passieren lassen und sich Gedanken über den morgigen Tag machen. Bevor Sie die Haustür aufschließen, schalten Sie Ihr Diensthandy ab und mit dem Betreten Ihrer Wohnung wechseln Sie in die Rolle des Partners, der Partnerin, der Mutter, des Vaters – und bleiben in dieser Rolle so lange, bis Sie am nächsten Morgen wieder die Wohnung verlassen.
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Sorgen Sie für Klarheit beim Chef und beim Partner
Klären Sie mit Ihrem Vorgesetzten die Erreichbarkeit im Feierabend. Es kann Ausnahmesituationen geben, in denen es wichtig ist, dass Sie erreichbar sind – und auch umgekehrt. Definieren Sie, wie beide Seiten in diesem Fall vorgehen. Schaffen Sie auch Klarheit in der Partnerschaft. Wenn es Ihnen wichtig ist, abends eine Stunde in Ruhe zu arbeiten, dann besprechen Sie dies zu Hause. Trennen Sie diese Arbeitszeit für Ihr Umfeld sichtbar vom Privatleben, indem Sie Ihre Mails nicht auf dem Sofa gemeinsam vor dem Fernseher sitzend bearbeiten, sondern sich an einen anderen Platz setzen oder in ein anderes Zimmer zurückziehen. Zur Klarheit gehört dann auch, nicht aus einer Stunde stillschweigend drei Stunden werden zu lassen.
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Leben Sie gemeinsam im Moment
Was wäre wenn, was wird mich erwarten und was werden die anderen denken? Ein Gedankenkarussel über die Zukunft, das Ihnen sicher bekannt vorkommt und das Sie gerade dann auf Trapp hält, wenn Sie Zeit zum Abschalten haben oder schlafen möchten. Leben Sie im Moment – das klingt ziemlich esoterisch, hat aber einen handfesten Nutzen. Fokussieren Sie sich auf das, was Sie gerade tun und auf die Menschen, die in diesem Moment in Ihrem Umfeld sind. Nicht nur, weil Sie viel bewusster die schönen Momente Ihres Lebens und der Partnerschaft wahrnehmen, Sie schenken Ihrem Partner mit Ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit auf diese Art die Wertschätzung, die Ihre Beziehung ausmacht.
Sie sind der Chef!
Hand aufs Herz! Sie wissen eigentlich ganz genau, was Ihnen selbst und auch Ihrer Beziehung gut tut, oder? Es ist Ihre Entscheidung, ob das Smartphone griffbereit neben Ihnen schläft oder ob hier Ihre Partnerin oder Ihr Partner liegt. Es ist auch Ihre Entscheidung, wieviel Raum der Beruf und die Karriere in Ihrem Privatleben einnehmen. Ist es Ihnen wichtig, immer erreichbar zu sein oder im Job Überstunden zu machen, dann entscheiden Sie sich hierfür und machen Ihrem Umfeld Ihre Motivation und Ihre Ziele klar.
Eines ist ziemlich sicher: Die Vermischung von Berufs- und Privatleben sowie die Geschwindigkeit der Kommunikation im Job als auch privat werden weiter zunehmen. Beruflicher Erfolg und persönliche Gesundheit erfährt derjenige, der die für sich gesunde Mischung aus Beruf und Privatleben findet. Es geht hierbei um die bewusste Stärkung dessen, was Ihnen im Beruf und im Privatleben Kraft gibt und genauso um den bewussten Umgang mit solchen Dingen, die Ihnen heute Kraft rauben. Sie haben es in der Hand, etwas zu verändern, denn Sie sind der Chef Ihres Lebens!
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