Kennenlernen der Schwiegereltern – So ein Spaß!

Irgendwann ist es soweit: Antrittsbesuch bei den Schwiegereltern. Jule Blogt über ein Beziehungs-Ereignis mit weitreichender Bedeutung

In frischen Beziehungen gibt es Anlässe, die jeder kennt und die sich kaum vermeiden lassen. Abgesehen vom ersten Sex, dem ersten Kuss auf offener Straße und dem ersten Streit, gehört eines definitiv dazu: Das Kennenlernen der zukünftigen Schwiegereltern. Heikles Thema! Sehr heikles Thema. Man kommt nicht drum herum. Nicht selten ist dieses Aufeinandertreffen mir Ängsten verbunden. Der Partner erhält so einen tiefen Einblick in die Vergangenheit, wie es anders kaum möglich wäre. Die eigene Familie spiegelt in gewisser Art und Weise auch die eigene Geschichte wider. Wer hat schon eine Bilderbuchfamilie, die locker in historischen Heimatfilmen mitspielen könnte? Das ist selten geworden. Man kann heutzutage froh sein, wenn die Eltern überhaupt noch zusammen sind. Egal wie sehr wir uns von unserem alten Umfeld abgenabelt haben, die eigene Familie sieht uns „Kinder“ immer mit etwas anderen Augen, als wir uns selbst. Ihrer Meinung nach sind wir eigentlich nie so richtig erwachsen geworden. Man sagt, Kinder werden immer Kinder ihrer Eltern bleiben, und das bekommen wir zu spüren.

Welche Peinlichkeiten haben die Eltern in der Schublade?

Lange habe ich geglaubt, dass es gewisse Schwiegereltern-Kennenlernsituationen nur im Film geben kann. Babyfotos anschauen, gesagt bekommen, wann der „kleine Mann“ das erste Mal aufs Töpfchen gehen konnte … Klingt nach Satire, ist es aber leider nicht! Das habe ich erlebt und es war keine schöne Angelegenheit, sage ich euch. „Der Max (Name beliebig austauschbar) war ja schon immer ein besonderer Junge! Als alle anderen schon ordentlich gegessen haben, hat er mit Brei um sich geworfen.“ Es bleibt einem in einer solchen Situation nichts anderes übrig, als aufgesetzt zu grinsen und zu hoffen, dass der Kaffee bald fertig ist, damit man sich zumindest über Kaffee und Kuchen unterhalten könnte. Die Möglichkeit, die Flucht zu ergreifen, besteht nicht. Schließlich will man die Liebste oder den Liebsten nicht enttäuschen.

Für denjenigen, der seinen Partner der Familie vorstellt, gleichen solche Momente einer Folter. Man weiß schließlich nie, welche Peinlichkeiten die eigenen Eltern noch so in der Schublade haben. Da muss es wohlüberlegt sein, ob man sich einer solchen Situation schon zu Beginn einer Beziehung aussetzen will. Es ist eine Prüfung für die Beziehung. Kennen die Eltern den Partner erstmal, ist ein Zurück schwierig. Die wenigsten Eltern verstehen es, wenn sich die Wege eines Paares relativ schnell wieder trennen. Denn in ihren Köpfen formen sich, noch bevor der zukünftige Schwiegersohn oder die zukünftige Schwiegertochter über die Türschwelle tritt, Bilder von Hochzeit und Enkelkindern. Wie sehr sich Eltern in Gedanken eine Zukunft ihrer Kinder ausmalen, wurde mir erst vor kurzem bewusst. „Wann stellst du uns denn endlich mal einen Mann vor? Wir werden ja auch nicht jünger, wir wollen Enkelkinder!“, schlug mir an Weihnachten mein Vater um die Ohren. Ich hätte schließlich eine Verantwortung, so als Einzelkind. Ich bin damit nicht allein. Mein Freundeskreis klagt zunehmend darüber, dass der Druck der Eltern wächst. Schließlich hatten sie selbst ja schon viel früher ein geregeltes Leben, was wir von uns meist nicht behaupten können. Diesen Druck nimmt man unbewusst mit in jede Beziehung.

Kinder werden immer Kinder ihrer Eltern bleiben

Alles soll ernst sein, alles soll auf etwas hinauslaufen. Wenn ich jemanden meinen Eltern vorstelle, sollte es die Person sein, mit der ich alt werden kann. Doch wann sind wir uns denn mal sicher, dass der aktuelle Partner der Eine ist, der uns bis an unser Lebensende begleitet? Die heutige Zeit ist so schnelllebig, dass die Unsicherheit immer bestehen bleibt. Urteile ich vorschnell und es stellt sich heraus, dass der angebliche Traumpartner doch nicht das Wahre war, enttäuscht das meine Eltern. Jedenfalls dann, wenn sie ihn schon in ihr Herz geschlossen hatten. Wer enttäuscht schon gern seine Familie?

Im Allgemeinen kann ich behaupten, dass Lebensabschnitts-Schwiegereltern nie über mich geklagt haben, aber das erste Aufeinandertreffen ist trotzdem immer mit Aufregung und Ängsten verbunden. Ich erinnere mich an eine Familienfeier meines damaligen Freundes, auf der ich so ziemlich seine komplette Großfamilie kennenlernen durfte. Alle waren freundlich, ich wurde herzlich aufgenommen und konnte eigentlich nicht klagen. Doch nach ein, zwei Bier, wurde es für mich unangenehm. „Wird ja auch mal Zeit, dass der Junge eine Frau hat! Denkt ihr schon über Kinder nach? Wie sieht es denn bei dir beruflich aus? Möchtest du Karriere machen, oder kümmerst du dich dann um den Nachwuchs?“ Sprachlos saß ich am Tisch und suchte nach Worten. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. In meinen Gedanken plante ich nicht einmal die nächsten Monate mit meinem Freund und sollte jetzt entscheiden, wie wir unseren Nachwuchs großziehen wollen würden? Das machte mir Druck. Enormen Druck. Hätte ich mich entscheiden können, hätte ich das Kennenlernen zu einem so frühen Zeitpunkt vermieden. Schließlich ist es gerade zu Beginn einer Beziehung wichtig, sich selbst als Paar zu finden. Schmeißt man direkt die Familie in den Ring, kann das ganz schnell nach hinten losgehen. Ich stelle einen neuen Partner bewusst nicht so schnell meinen Eltern vor, um ja keine Erwartungen zu wecken. Keine Erwartungen bei meiner Familie und keine Erwartungen in mir selbst. Denn auch mir verdeutlicht eine Vorstellung bei den eigenen Eltern eine gewisse Ernsthaftigkeit, mit welcher man erst einmal umgehen muss. Außerdem möchte ich meinen Mann nicht in unangenehme Situationen bringen. Dieser Druck, den ich zu spüren bekomme, sollte bestmöglich von meinem Liebsten ferngehalten werden.

Entscheidet sich mein Partner, mir seine Familie erst spät vorzustellen, nehme ich es ihm nicht übel. Es hat nichts damit zu tun, dass ich ihm peinlich wäre. Er möchte es mir einfach leichter machen. Den Druck gering halten und die Beziehung erstmal stark werden lassen. Klar ist es wundervoll, wenn man seinen Partner präsentieren kann und die Familie ihn direkt ins Herz schließt, aber das Risiko in solchen Situationen ist nicht zu unterschätzen. Man spielt immer mit den Hoffnungen und Erwartungen der Eltern. Was sollen sie denken, wenn man ihnen alle paar Monate einen neuen „Traumpartner“ vorstellt? Eile mit Weile. Drum prüfe, wer sich in die Fänge einer Schwiegerfamilie begibt. Natürlich gehört die Familie zum Partner dazu, aber sie sind ein minimaler Teil, wenn es um die eigene Beziehung geht. Denn da zählen nur Zwei, und die sollten ohne Druck das aufbauen können, was sich jede Schwiegerfamilie erträumt.


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