Also nur Jan? Er darf? Es war eine Unverschämtheit, doch ich fühlte keinen Hass für ihn, keine Verachtung, meine Liebe war da, unerschütterlich da. Ich war erstaunt über mich. Ich fragte mich: Was ist Liebe? Ich habe angefangen, mich damit zu befassen, ich habe viele Bücher über Monogamie und Polygamie gelesen, ich habe nicht geahnt, wie kontrovers das Thema ist. Ich wollte Jan verstehen. Ich wollte es mir nicht leicht machen. Ich bin keine Frau, die in eine Opferrolle geht, ich lasse mir nichts gefallen, doch wenn ich etwas verstehe und anerkenne, kann ich damit umgehen.
Konnte ich auf Augenhöhe damit umgehen, dass Jan ab und zu untreu ist, später nach Hause kommt, zu spät, nach einer anderen Frau riecht?
Ich sagte das Jan, wie es mich aufgewühlt hat, dass er nach der Kollegin gerochen hat. „Das würde nie wieder vorkommen, ich finde Mittel und Wege“, beschwor er mich. „Ich würde Dich nicht damit behelligen. Ich will es nur nicht heimlich machen, ich will, dass Du prinzipiell weißt, wen Du vor Dir hast, mit wem Du lebst, wer Dein Mann ist. Das ist für mich Liebe. Ich fühle mich von Dir geliebt, wenn Du mich kennst und erkennst als der, der ich bin. Ich bin nicht treu. Sei Dir gewiss, es wird unser gemeinsames Leben nicht beeinträchtigen.“
„Jan sprach immer von diesem „es“, ich musste zwanghaft assoziieren, was er damit meinte: er und eine andere Frau zusammen im Bett“, sagt Pia. „Jan und ich, wir waren in der größten Krise unserer Ehe, aber wir waren, ich spürte das deutlich, miteinander in Verbindung. Ich konnte ihm auch folgen. Sicher, ich sollte ihn lieben, wie er ist, auch mit dem Hang zur Untreue. Aber er sollte mich ebenfalls lieben, wie ich bin: Mit meinem Hang zur Treue und mit meinem Wunsch nach seiner Treue.“
Ich begreife Jans Untreue nicht mehr als Angriff auf mich, ich bin hier nicht das Opfer
Nach ein paar zähen Wochen des mit sich Ringens und etlichen Gesprächen entschließt sich Pia, zu versuchen, mit dem Gedanken zu leben, dass Jan untreu sein könnte, theoretisch, praktisch. „Das ist jetzt auch schon wieder ein halbes Jahr her, dass ich diesen Entschluss gefasst habe“, sagt Pia, „ich habe den Eindruck, in der Zeit ist nichts passiert. Im Gegenteil, Jan ist besonders anhänglich, ihm steckt das in den Knochen, dass er panische Angst hatte und wohl auch noch hat, mich zu verlieren. Wir sind gerade besonders glücklich. Schwebt über uns ein Damoklesschwert? Ich weiß es nicht, ich will es auch nicht wissen. Aber ich bin gewappnet, und ich bin aufrichtig gewillt, Jan weiter zu lieben – auch mit dem Wissen, dass er mir untreu sein könnte. Ich habe mich daran abgearbeitet, ich begreife das nicht mehr als Angriff auf mich. Ich kann von meinem Ego absehen, und ich kann mich nur wiederholen, ich bin hier nicht das Opfer, nicht die dumme Frau, die sich betrügen lässt. Ich bin souverän. Ich bin bereit, etwas auszuprobieren. Es ist für mich das Experiment meines Lebens. Ich will Jan vertrauen, wenn er aus dem Haus geht. Ich kann nicht mehr sicher sein, dass er nicht etwas anstellt. Aber ich kann sicher sein, dass er zu mir nach Hause kommt und mich liebt. Die Zeit wird zeigen, ob ich damit leben kann. Leben und lieben kann und glücklich sein kann.“