In der offenen Beziehung stößt man schon mal an seine Grenzen
“Vorher habe ich Frauen manchmal heimlich betrogen, das fand ich entsetzlich, das ist unwürdig, finde ich, ich hasse Lügen. Eine offene Ehe erschien mir wie eine Verheißung. Eine, an deren Erfüllung man allerdings arbeiten muss. Jede Person, die polygam ausgerichtet ist, weiß, dass man immer wieder an seine Grenzen gerät als Paar. Dass man im Laufe der Jahre manches neu verhandeln muss. Für Nadja und mich war es klar, dass wir keine richtigen Nebenbeziehungen eingehen wollen, die quasi gleichberechtigt neben der Ehe existieren. Unsere Ehe sollte das Zentrum sein, unsere Beziehung das Wichtigste. Schnelle Abenteuer zwischendurch, das kam für uns eher nicht in Frage oder zumindest selten.
Nadja und ich brauchen seelische Nähe, um jemanden zu begehren. Wir haben eigentlich mit jedem oder jeder auf alle Fälle eine gewisse innere Verbindung gehabt. Uns ein paar Wochen oder auch sogar zwei bis drei Monate lang getroffen und zu Hause vorgestellt. Da läuft gerade vielen Männern eine Gänsehaut über den Rücken, weil sie das gruselig finden, dass der Geliebte der eigenen Frau mit am Tisch sitzt. Ich gebe zu, dass es mir schwerer gefallen ist, das auszuhalten. Am Ende zählt, dass ich es ausgehalten habe. Und dass Nadja und ich uns im Laufe der Jahre immer näher gekommen sind. Nach jeder Affäre wurde unser Sex besser, wir wussten, was wir aneinander haben. Ja, was will man mehr? Hätte dieses Paradies nicht bleiben können?
“In meinem Alter kann ich mir das Modell der offenen Beziehung nicht mehr vorstellen”
Ich packe es nicht mehr, mir erscheint das Paradies als etwas, das mich extrem belastet. Seitdem ich total angeschlagen bin, weil ich beruflich um meine Existenz kämpfe und kaum noch schlafen kann, merke ich, wie viel Kraft das alles kostet. Und dass ich die Kraft nicht mehr habe. Ich weiß, dass das meiner aktuellen Situation geschuldet ist, aber ich bin ganz sicher, dass ich mir das generell nicht mehr vorstellen kann. Ich möchte die offene Beziehung wieder schließen. Sicher bin ich mir auch, dass ich wieder Lust auf Nadja haben werden, diese schwache Phase gerade geht vorbei. Aber offene Ehe, nein, der Drops ist für mich gelutscht. Dieser Trieb nach außen, der ist weg. Ja, ich denke, es hat in der Tat vor allem etwas mit dem Alter zu tun, dass ich langsamer leben möchte. Ich sehne mich danach, dass unsere Ehe ein stabiler Schutzraum ist, ohne diesen Trubel, den jede Affäre mit sich bringt.“
Für Nadja kommt diese Ansage einer Trennungserklärung gleich. Sie ist nur zwei Jahre jünger als Markus, doch sie empfindet die außereheliche Betriebsamkeit nicht als anstrengend. Für sie ist es ausgesprochen inspirierend, sie schöpft daraus neue Energie. Gerade hat Nadja ein Techtelmechtel mit einem jüngeren Kollegen, sie genießt das in vollen Zügen.
„Ich möchte auch Markus genießen“, sagt sie, „ich weiß, dass das gerade nicht geht, ich gebe ihm die Ruhe, die er braucht, ich höre ihm zu, ich suche mit ihm nach Lösungen. Ich bin für ihn da, in guten wie in schlechten Zeiten. Für mich gelten die Prämissen, die wir uns auf die Fahnen geschrieben haben, als wir geheiratet haben. Aber dazu gehört auch, dass wir eine offene Ehe führen. Markus kann doch nicht innerhalb unserer Ehe auf einmal davon abrücken, auf was wir uns beide geeinigt haben.“