Jeder hat die Beziehung, die er verdient

Schicksal? Göttliche Fügung? Bestseller-Autor Hermann Meyer plädiert fürs Umdenken bei der Partnerwahl. Ein Buchauszug

Millionen Menschen warten auf den »richtigen« Partner. Sie hoffen, darauf, dass sie eines Tages vom Schicksal belohnt werden und durch eine wunderbare Vorsehung diesem einen Menschen, ihrem Idealbild eines Partners begegnen. Ja, viele beten sogar zu Gott, dass er ihnen den »Richtigen« senden möge. Sie glauben fest daran, dass es jemanden gibt, mit dem sie bis ans Ende aller Tage glücklich sein können. Sie haben eine genaue Vorstellung davon, wie dieser ideale Partner aussehen soll, wie er fühlen und denken soll, welche Bildung er aufzuweisen habe, welche Freizeitinteressen er haben sollte. Sie träumen davon, sagen zu können: Das ist »mein Mann«! Oder das ist »meine Frau«! Mit diesem Menschen sind sie innig vertraut und voll einverstanden. Er ist gleichsam ihre andere Hälfte, er ist ihr Pendant im anderen Geschlecht, er ist ihr Dualgeist.

Das klingt alles wunderschön, doch in der Realität erwirkt dieser innere Idealpartner, den man überallhin mitnimmt, fast immer ein negatives Schicksal für einen selbst und für alle potenziellen Partner.

Mögliche Folgen sind:

  • Durch den Vergleich mit dem Idealbild werden andere Menschen entwertet. Zum Beispiel erteilen Frauen Männern eine Abfuhr, weil diese dem Vergleich mit ihrem inneren Idealpartner nicht standhalten. Dadurch entstehen bei den Abgelehnten häufig Gefühle der Wertlosigkeit, des Schmerzes, der Trauer und der Wut.
  • Es entwickelt sich Arroganz, weil man glaubt, der eigene hohe Anspruch sei ein Beleg dafür, dass man mehr Niveau als die Bewerber habe. Man denkt, man habe es nicht nötig, sich auf einen Kompromiss einzulassen.
  • Es entsteht Einsamkeit bei einem selbst und bei den potenziellen Partnern.
  • Wenn man sich herablässt und sich doch mit jemandem liiert, der die Kriterien des Idealpartners nicht erfüllt, besteht die Tendenz, diesen Menschen zu kritisieren oder ihn gar niederzumachen. Meist will man dann den Betreffenden verändern, ihn umformen, um ihn im Laufe der Zeit zum Idealpartner zu machen.
  • Man verbringt wertvolle Lebenszeit mit dem Warten auf den »Richtigen« oder die »Richtige« und verwehrt so sich selbst und einem potenziellen Partner schöne Stunden der Zärtlichkeit und der Liebe.
  • Man hat Angst, dass – wenn man sich damit begnügt, eine Beziehung mit einem Menschen einzugehen, der unter diesem Idealpartner rangiert – man nicht mehr frei wäre, sobald der oder die »Richtige« die Bühne des eigenen Lebens betritt.
  • Aufgrund des Idealbildes wehrt man Entwicklungsschritte ab, die für die eigene Persönlichkeit wichtig wären.
  • Das Idealbild disponiert zu Süchten aller Art. Die Sucht dient dazu, die Frustration zu kompensieren, dass man mit dem falschen Partner zusammen ist und der oder die Richtige noch nicht aufgetaucht ist. Statt der eigentlichen Ursache für die eigene Situation auf den Grund zu gehen, bleibt man auf dem »Bahnhof« Sucht stecken und sucht immer weiter im Nebel oder im Delirium nach dem oder der »Richtigen«.

Die nachfolgenden zehn Punkte sollen aufzeigen, warum die Vorstellung, es gebe den einen Traumpartner oder die eine Traumpartnerin, nichts weiter als eine Illusion ist.

Es kann nicht den »richtigen« Partner geben …

  1. … solange wir nicht wissen, wer wir selbst sind, also dem Orakelspruch von Delphi »Erkenne dich selbst!« noch nicht entsprechen konnten.
  2. … solange wir nicht erkennen können, wer und wie unser Partner wirklich ist, und solange unser Partner selbst nicht weiß, wer er ist.
  3. … solange wir uns der Einsicht verwehren, dass die Welt bipolar ist: Man braucht auf einigen Gebieten einen Partner im anderen Pol zum Ausgleich, z. B. braucht eine Sauberkeitsfanatikerin einen »Schlamper«. Insofern ist der»falsche« Partner immer auch der »richtige«.
  4. … solange wir nicht verstehen, dass eine auf der Illusion vom Traumpartner aufbauende Beziehung nur so lange »richtig« ist, wie sich keiner der Partner weiterentwickelt. Selbst, wenn sich nur einer der beiden weiterentwickelt, kommt gewöhnlich das ganze Beziehungsgefüge ins Wanken.
  5. … solange wir nicht erkennen können, dass die Beziehung sofort zu Ende ist, wenn sich jemand weigert, die Rollenzuweisungen seines Partners zu erfüllen bzw. weiter in dessen Lebensfilm oder Theaterstück mitzuspielen oder wenn er die aufgestellten Spielregeln missachtet.
  6. … solange wir nicht wissen, dass es meist sofort zu einer Trennung käme, wenn der Mann seine Sexualfantasien offenbaren würde.
  7. … solange wir nicht akzeptieren, dass der Partner ein eigenes Individuum ist, das man nicht besitzen kann, d. h. das einem nicht gehört. Insofern erübrigen sich Eifersucht sowie jegliche Kontrolle und Überwachung des Partners.
  8. … solange wir uns weigern anzuerkennen, dass jeder Mensch, um in unserer Zivilisation zu überleben, eine Fassade, eine Kulturmaske aufsetzt, die im Widerspruch zu seiner Säugetiernatur steht. Die meisten von uns haben alles, was mit ihrem eigenen positiven Selbstbild oder dem eigenen Ich-Ideal nicht vereinbar ist, ins Unbewusste verdrängt oder auf andere projiziert. Wir wollen damit nichts zu tun haben. Erstaunlicherweise sind viele Menschen davon überzeugt, sie wären tatsächlich so, wie sie sich geben. Zudem halten sie die aufgesetzte Fassade ihrer Mitmenschen für deren wahres Wesen. Doch hinter der Kulturmaske verstecken sich viele negative Gefühle, die wir zwar mit aller Macht versuchen zu unterdrücken, die sich aber immer wieder Bahn brechen: Aggression, Rivalität, Egoismus, Gier, Reviertrieb, Neid, Hass, Angabe, Geilheit, Machtstreben, Widerstand, Rebellion, Überlegenheit und Ängste.
    Deshalb passt in einer Partnerschaft oft lediglich eine Maske zu einer anderen. Wer sich jeweils dahinter verbirgt, wird uns meist erst im Laufe der Jahre oder gar Jahrzehnte bewusst.
    Sagen wir es rundheraus: Gelingende Partnerschaft bedeutet immer auch, das Säugetier im anderen kennenzulernen. Und dazu gehören Konfliktbereitschaft und vor allem Mut.
  9. … solange wir uns nicht eingestehen, dass jeder Mensch das Bedürfnis hat, Chancen beim anderen Geschlecht zu haben, selbst wenn er in einer festen Beziehung lebt.
  10. … solange wir uns nicht bewusst machen, dass die meisten von uns von Mode und Mainstream so stark beeinflusst sind, dass unsere Partnerwahl dadurch entscheidend mitbestimmt wird, d. h. sie erfolgt auch immer nach dem, was gerade »in« ist.

Der richtige Partner muss eine Illusion bleiben

Ob der Partner also hinter all den Masken, Rollen, Modeerscheinungen und Mainstreams, d. h. in seiner wahren Natur, zu einem passt, ist fast nie erkennbar. Hier kommt zudem die Diskrepanz zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten zum Tragen. Im Unbewussten passt der Partner, im Bewussten passt er nicht (oder umgekehrt). Aus all dem geht hervor, dass selbst dann, wenn der Partner scheinbar passt, keine dauerhafte Erfüllung möglich ist. Fazit: Der richtige Partner muss eine Illusion bleiben, weil nicht das Bewusste, sondern das Unbewusste die Partneranziehung bewirkt. Dort gibt es zwar auch einen »richtigen« Partner, aber dieser unterscheidet sich oft grundlegend von dem, den man im Bewussten als den richtigen ansieht. Man kann also sagen: Nur ein ganz bestimmter Partner ist dazu geeignet, einem Verdrängtes, Unbewusstes und Unerlöstes bewusst zu machen. Über ihn gilt es, spezifische Lernprozesse zu absolvieren, die für einen wichtig sind und die einen in der Persönlichkeitsentwicklung weiterbringen.

“Der richtige Partner ist eine Illusion”. Lesen Sie hier das Interview mit Hermann Meyer

 

Jeder hat die Beziehung, die er verdient CoverHermann Meyer
Jeder hat die Beziehung, die er verdient
€ 8,99 [D] | € 9,30 [A] | CHF 12,50
ISBN: 978-3-453-60350-9
Verlag: Heyne

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