Ist eine emotionale Affäre bereits Betrug?

Vielleicht möchte der Partner wirklich nicht jedes Detail aus dem Arbeitsleben wissen, schon weil er selbst ja keinen direkten Bezug zu den Kollegen hat. Doch wenn er nicht erfährt, dass ein solcher Austausch mit einer anderen Person erfolgt, kann er nicht mehr einschätzen, wie wichtig mir das offensichtlich ist. Ihm wird die Entscheidungsmöglichkeit genommen, mir zuliebe eben doch täglich Zeit zu investieren. Sobald mir eine Beziehung außerhalb meiner Partnerschaft etwas gibt, was ich von meinem Partner nicht erhalte, dann ist der bessere Weg, offen über seine Wünsche zu sprechen und zu verhandeln, wie diese erfüllt werden können. Offenheit statt Geheimhaltung. Wie bei der körperlichen Affäre ist Heimlichkeit eine bewusste Entscheidung gegen den Partner und die Beziehung.

Man muss sich das auch einmal umgekehrt vorstellen: Wie würde man sich selbst fühlen, wüsste man so etwas nicht vom Partner? Da würden sich die meisten Menschen sehr verunsichert – wenn nicht betrogen – fühlen.

Warum gehen Menschen fremd? Die Anlässe für emotionale Affären sind sehr unterschiedlich. Vermutlich eint sie alle, dass es eine Gelegenheit gab, ein in diesem Moment nicht befriedigtes Bedürfnis zu erfüllen. Meist gibt es dafür einen Anlass, eine Veränderung. Das kann das gemeinsame Haus, die Geburt eines Kindes oder auch Stress oder eine Sinnkrise sein. Oder ein verbindendes, gemeinsames Interesse, das der Partner aber nicht teilt. Es muss nicht zwangsläufig eine solche Beziehung körperlich werden, aber die Gefahr besteht und ist groß. Sie nimmt der bestehenden Beziehung eine Intimität, die dieser schaden kann und ich möchte behaupten, immer schaden wird. Diese Sichtweise mag natürlich daher kommen, dass ich in der Beratung selten die super glücklichen Paare erlebe – die wären ja sonst nicht da.

Viele sexuelle Affären haben als emotionale Affären begonnen

Damit will ich nicht sagen, dass Männer und Frauen nicht Freunde sein können. Selbstverständlich ist das möglich. Manchmal handelt es sich um Ex-Partner, die sich schätzen, und nicht erneut eine Beziehung miteinander eingehen würden oder um Personen, die auf einer Wellenlänge liegen, sich aber sexuell nicht attraktiv finden. Manche solcher Freundschaften entwickeln sich im Büro oder auf Basis gleicher Interessen. Es geht darum, sich sympathisch zu sein und bestimmte Interessen und Werte zu teilen. Während bei sexuellen Beziehungen durchaus auch Unterschiede sehr anziehend sein können, sind platonische Freundschaften vor allem durch Gemeinsamkeiten geprägt. Aber der Betrug beginnt immer im Kopf. Und eine emotionale Affäre ist – für mich – bereits eine Form der Untreue.


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