Ankommen empfand Marcus als Stillstand
Marcus war mit seiner aktiven Art der Beziehungsführung nicht allein. Mir begegneten in den darauffolgenden Jahren immer mehr Pärchen, die kaum noch zur Ruhe kamen. Solche Paare, die ständig unterwegs sind, unzählige Hobbys haben und nebenbei auch noch den Haushalt auf die Reihe bekommen, wirken nach außen hin beneidenswert. Dabei sind sie für mich genau das Gegenteil. Aktivität kann eine Flucht vor dem Aufeinander einlassen darstellen. Wo lernt man sich schließlich besser kennen, als in Jogginghose auf der Couch? Mit der Zeit begriff ich, dass nicht ich es war, die mit ihrem geringeren Aktivitätslevel einer Beziehung im Weg stand. Es war Marcus ständige Flucht vor ernsten Gesprächen, vor stillen Momenten, in denen seine Gedanken zur Ruhe kommen würden. Ankommen konnte er nicht, weil er dieses Gefühl mit Stillstand verband.
Wo Strom ist, brennt Licht, zumindest solange, bis die Birne durchknallt
Knapp vier Jahre sind vergangen, seitdem ich Marcus kennenlernen durfte. Ich freue mich über die seltenen Momente, in denen wir uns heute über den Weg laufen. Es sind kurze Minuten, in denen ich von seiner scheinbar grenzenlosen Energie einen kleinen Teil abzwacken kann. Dann spüre auch ich, wie ein bisschen Rastlosigkeit einen Tag spannender machen kann. Umso mehr genieße ich es jedoch anschließend, in Jogginghose auf die Couch zu fallen, meine Gedanken schweifen zu lassen und das Energielevel eines Faultiers zu übernehmen.
Eine gute Beziehung muss das Nichts aushalten, die Langeweile, den Sonntag, an dem die Wohnung nicht verlassen wird. Diese Ruhe und gemeinsame Zeit sorgt dafür, dass sich Gedanken ordnen und sich die Beziehung überhaupt erst weiterentwickeln kann. Wo Strom ist, brennt Licht, zumindest solange, bis die Birne durchknallt.