Immer unter Strom? Das kann der Beziehung schaden

Ein toller Mann. So herrlich aktiv. Immer hatte er Ideen und etwas Spannendes vor. Langeweile kam mit ihm nicht auf. Doch genau die wünschte sich beziehungsweise-Autorin Jule Blogt ganz schnell

An Marcus faszinierte mich nicht nur seine attraktive Erscheinung, sondern vor allem sein extrem hohes Energie-Level. Entdeckte er ein mögliches neues Hobby, musste es sofort ausprobiert werden. Er bereiste die Welt, beherrschte verschiedene Sprachen und machte jeden erdenklichen sportlichen Trend mit. Anders gesagt: er war ständig unter Strom.

Dass wir uns vor einigen Jahren per Datingapp kennengelernt hatten, war reine Glückssache gewesen, schließlich hielt sich Marcus nicht länger als ein paar Tage an einem Ort auf. Es dauerte nur wenige Gespräche und ich war schockverliebt. Die Energie, die mein Objekt der Begierde ausstrahlte, riss mich regelrecht mit. Gemeinsam um die Welt reisen? Logo! Im Sommer einmal durch den nahegelegenen See paddeln? Das hatte ich doch schon immer gewollt, oder? Wie schnell die Gründe für meine Verliebtheit zum Hindernis für eine Beziehung werden würden, ahnte ich nicht.

Was mich am Anfang anzog wie ein Magnet eine Büroklammer, stieß mich nun wieder ab

Als es mit uns ernster wurde, fieberte ich – abgesehen von allerlei abgefahrenen Aktivitäten – besonders gemeinsamen romantischen Abenden entgegen. Auf dem Sofa kuschelnd über Gott und die Welt sprechen, dabei ein Gläschen Wein vernichten, es hätte so schön sein können. Was ich bekam, war frustrierend. Erst musste Freund A besucht werden, dann Freundin B, und hatte um die Ecke nicht so ein abgefahrener Schuhladen eröffnet? Die tägliche Sporteinheit durfte natürlich auch nicht vergessen werden.

Was mir am Ende blieb, waren knappe gemeinsame Stunden, die irgendwo dazwischen gequetscht wurden. Der Blick auf die Uhr durchkreuzte jegliche aufkommende Romantik. Ich fühlte mich von Marcus Aktivitätsvolumen vollkommen überfordert. Was mich am Anfang anzog wie ein Magnet eine Büroklammer, stieß mich nun wieder ab. So sehr ich mich auch anpassen wollte, so kräftezehrend empfand ich meine Bemühungen. Mir fehlten gemeinsame ruhige Momente, in denen ich auftanken konnte. Ein einfacher öder Abend auf der Couch, mehr brauchte ich nicht.


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