Hilfe, er zieht bei mir ein!

Glücklich verliebt? Dann ist der Schritt in die gemeinsame Wohnung der nächstlogische. Unsere Autorin hat ihn gewagt. Aber anders, als es normalerweise von Experten empfohlen wird

Im Sommer 2012 habe ich etwas gemacht, wovon jeder gute Beziehungsratgeber und jeder Paar-Therapeut abrät. Ich bin mit meinem Freund zusammengezogen. Oder genauer gesagt: Er ist bei mir eingezogen. In meine Wohnung. In mein Reich. Bin ich wahnsinnig? Nee, eigentlich nicht. Aber wie war das eigentlich?

Zuerst einmal die Theorie.

Partnerschaftsexperten raten normalerweise drei Dinge:

  1. Ab einem gewissen Alter sollte man nicht allzu lange mit dem Zusammenziehen warten. Wenn man ohnehin darauf hinarbeitet, eine langfristige Beziehung aufzubauen, sich super versteht, vielleicht Familie plant, ist ein gemeinsamer Haushalt früher oder später einfach sinnvoll. Um zu schauen, ob es im Alltag wirklich so gut passt, wie es die Dates, gemeinsamen Abende und Wochenenden verheißen. Tatsächlich ist ein bisschen früher sogar besser als ein bisschen später: Je schneller man eventuelle Wohn-Inkompatibilität feststellt, umso weniger schmerzhaft die Erkenntnis und Konsequenzen. Übrigens ziehen aus dem Grund auch Paare, die online zueinander gefunden haben, schneller zusammen. Lernt man sich über eine (Online-)Partnervermittlung kennen, ist von vornherein klar, was der Partner will –meist ist es dasselbe, wie man selbst. Gemeinsame Ziele sind wichtig.
  1. Um die beste Ausgangslage für den gemeinsamen Haushalt zu schaffen, sollte sich zusammen ein neues Domizil gesucht werden. So ersparen sich die Turteltauben Diskussionen um hässliche Möbelstücke von Omma, ausgewaschene Fan-Bettwäsche vom FC Augsburg und gigantische Trash-Video-Sammlungen aus den 90er Jahren. Die landen nämlich meist erst dann in der Tonne, wenn man sie von einer Dachgeschosswohnung in die nächste, aber größere und schönere Dachgeschosswohnung schleppen soll. Manchmal verschwinden solche Sachen beim Umzug auch wie von Geisterhand. Haben es sich diese Dinge aber schon längere Zeit in einer Wohnung unter einer manchmal auch ansehnlichen Staubschicht gemütlich gemacht, wird man (der einziehende Partner) sie meist äußerst schwer los.
  1. Als Pärchen sollte man ausschließlich auf die Jagd nach einer Dreizimmerwohnung gehen. Immerhin sind Freiräume das Must-Have in jeder Beziehung und das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Ein drittes Zimmer ist die wichtige Rückzugsoase, wenn er mal wieder Modellflugzeuge im Wohnzimmer zusammenbastelt oder sie mit ihren lauten und anstrengenden Mädels bei Mädelsmusik und Mädelsgetränken das nächste Mädelswochenende planen will, während die Stammkneipe ausgerechnet heute geschlossen hat. Außerdem hilft ein drittes Zimmer enorm, wenn doch mal – geplant oder überraschend – Nachwuchs im Anmarsch ist und man mit einer Kinderzimmer-Notlösung die Zeit bis zum nächsten Umzug überbrücken kann. Umziehen macht ja schließlich total Spaß.

Tja, und was habe ich also gemacht? Ich bin mit meinem Freund zusammengezogen. Ratschlag 1 befolgt. Check! Zu dem Zeitpunkt waren wir gut ein halbes Jahr zusammen, also volle Punktzahl!

Bei Ratschlag 2 und 3 habe ich allerdings gnadenlos versagt.

Denn: Er ist bei mir eingezogen. Und, damit nicht genug: Er ist in meine Zweizimmerwohnung gezogen. Schreck lass nach!

Wie kann es also sein, dass wir heute, ziemlich genau drei Jahre später, noch immer in derselben Wohnung leben, nach wie vor glücklich miteinander sind und keiner von uns beiden zur Therapie geht (also, beim letzten bin ich mir wirklich zu 85 Prozent sicher)? Gute Frage. Ich glaube einfach, dass nicht alle guten und erprobten Tipps für jeden Menschen und jede Beziehung passen müssen.

Aber wenn ich recht überlege, gab es vielleicht doch Gründe.

  1. Die Wohnung war schon komplett eingerichtet – er konnte gar nichts mehr unterbringen. 😉
    Wir wohnen nicht gerade großzügig und daher war der ohnehin recht begrenzte Platz schon besetzt. Dachboden und Keller sei Dank ist irgendwie alles untergekommen auch weil – und das ist natürlich der eigentliche Grund –
  1. mein Freund nur sehr wenige Herzstücke in seiner Wohnung hatte, die dringend mit umgezogen werden mussten. Glücklicherweise handelte es sich dabei primär um Technik: ein größerer Fernseher, eine Dolby-Surround- Anlage, ein Plattenspieler, eine Spielekonsole… Alles Dinge, die eine Wohnung per se nicht hässlicher machen, sondern eigentlich besser, wenn man selbst Film- und Musik-affin ist.
  1. Es ist nur eine Übergangslösung. Uns ist beiden klar, dass wir in unserer kleinen Bude nicht alt werden. Wir fühlen uns wohl und es passt, aber mittelfristig wird es uns wohl doch in größere Gefilde ziehen, um mit etwas Verzögerung doch noch die Ratschläge 2 und 3 zu befolgen.

Und dann lautet die entscheidende Frage:

Ob unsere Beziehung ein drittes oder viertes Zimmer aushalten wird…?


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