Singles heute sind nicht zwingend unverbindlicher, wer ihnen das pauschal vorwirft, macht es sich zu leicht. Sie sind vor allem gestresster, weil sie sich unrealistischen Erwartungen unterwerfen (müssen). Und jedes Mal, wenn in der Kennenlernphase der Realitätscheck negativ ausfällt, müssen sie eine Entscheidung treffen, die letztlich zu einem Kontaktabbruch führen wird. Aus Furcht, sich jedoch die eine Chance auf das große Liebesglück durch eine unbedachte, voreilige Entscheidung völlig zu ruinieren, entwickeln sie Strategien wie Anfüttern (Breadcrumbing) oder Hinhalten und auf die lange Bank schieben (Benching). Nicht aus Boshaftigkeit, sondern aus Hilflosigkeit. Sie sind tatsächlich Opfer und Täter – gleichzeitig, weil sie mit ihren Verhaltensweisen sich gar nicht wirklich vor Verletzungen schützen. Im Gegenteil: sie verletzen einander erst recht.
Liebe ist eine Entscheidung und die erfordert Mut
Nicht jeder Kontakt wird zu einer Beziehung. Je nach Umfrage, eher jeder sechste bis zwölfte Kontakt. Das sind eine Menge Zurückweisungen und Körbe auf dem Weg zur großen Liebe. Jeder entscheidet sich ständig gegen einen Kontakt und nur in den seltensten Fällen für einen. Es braucht erheblich mehr Mut, sich im Bus neben die Person zu setzen, die man attraktiv findet, und dann womöglich nicht einfach nur aufs Smartphone zu schauen, sondern ein Gespräch zu beginnen und wenn das gut läuft, die Nummer – oder den Namen bei Instagram – zu tauschen, als weiterzugehen in die letzte Reihe und sich zu setzen und über sein Singlesein zu klagen. In einer Zeit, in der uns Matches Sicherheit vorgaukeln, aus uns könnte – weil wir beide in die gleiche Richtung gewischt haben – ein Liebespaar werden, ist Zurückweisung zum Albtraum geworden.
Aus Furcht vor weiteren Verletzungen beschließen wir lieber, nie wieder zu vertrauen. Wir unterstellen Unbekannten schon einmal vorsichtshalber, was andere uns angetan haben und bestrafen sie und uns mit Misstrauen. Wir suchen nicht, wir lassen uns finden – von dem einen, mit dem alles perfekt werden kann. Dabei vergessen wir aber: Perfektion gibt es nicht und nur bereit zu sein, sich mit einem Ideal einzulassen, das es nicht gibt, ist eine – perfekte – Beziehungsverhinderungsstrategie. In dieser Position lässt sich prima das eigene Elend und die Schlechtigkeit der Welt, Generation oder wahlweise Männer oder Frauen beklagen. Man ist schließlich Opfer! Gleichzeitig erzählt man in fiesesten Worten über das Totalfiasko, das das letzte Date war, um sich durch ein paar Lacher ein wenig Anerkennung und Selbstwert zurückzuholen.
Liebe ist kein Schicksal, Liebe ist eine Entscheidung.
Ich wurde schon häufig belächelt über meinen Rat für Partnersuchende: Seien Sie selbst die freundliche, liebenswürdige und offene Person, die Sie sich als Partner wünschen. Das sei doch selbstverständlich, höre ich oft. „Das ist kein Rat, das ist normal“, höre ich gelegentlich. Würde er nur befolgt, denke ich mir dann. Die Welt wäre ein schönerer Ort und es würden sich von den fast 17 Millionen Singles in Deutschland ganz sicher mehr finden – und zusammenbleiben, um es miteinander zu probieren. Denn nur in einem Klima, in dem Mut honoriert wird, findet Feigheit seltener statt. Nur wenn Vertrauen belohnt wird, kann sich Zuversicht einstellen. Liebe ist kein Schicksal, Liebe ist eine Entscheidung.