Früher war alles besser! Oder doch nicht?

„In der Tat“, könnte man vom Armlehnsessel ausrufen, „schaut Euch nur die Scheidungsraten an, sie haben sich in den letzten 100 Jahren vervielfacht. Das hätte es damals nicht gegeben!“ Ja, ganz genau. Das hätte es nicht. Konnte es aber auch nicht, denn eine Scheidung kam insbesondere für eine Frau einem gesellschaftlichen Selbstmord gleich. Man blieb zusammen auf Gedeih und Verderb. Ob man glücklich war oder nicht.

Mal im Ernst: War das wirklich besser?

Klar gab es auch viele, viele wirklich glückliche Paare und sicher sind wir heute sehr schnell damit, bei Beziehungsschwierigkeiten das Handtuch zu werfen und nach jemand anderem Ausschau zu halten, aber wenn wir mit solchen „früher war alles besser“- Pauschalitäten aufwarten, sollten wir schon genauer hinschauen. Denn vor allem der Blick aufs Detail geht bei dieser Art Vergangenheitsverklärung nämlich verloren.

Rosige Retrospektion

Wissenschaftler nennen diese Tendenz des Menschen „rosige-Vergangenheits-Verzerrung“, eine Form der kognitiven Verzerrung, eine Art Fehler bei der Rückschau, beim Erinnern. Es bedeutet nichts anderes, als das wir im Nachhinein gern meinen, unsere Erlebnisse seien viel interessanter und toller gewesen, als sie es tatsächlich waren. Aber warum reden wir uns die Vergangenheit so gern so schön?

Sie kennen es vielleicht auch. Sie sind gerade in einer so mittelmäßig gut laufenden Beziehung und überlegen hin und wieder, wie es sein könnte, wenn Sie sich trennen würden. Oder Sie sind gerade Single und darüber unzufrieden. Da fällt er Ihnen wieder ein, Ihr Exfreund, vielleicht Ihre erste große Liebe. Ach, war es nicht eigentlich ganz toll mit ihm, er war so humorvoll und charmant und die vielen schönen gemeinsamen Erlebnisse. Es war doch alles viel besser als ihre jetzige Situation und Sie wünschen sich in diese Zeit zurück.

Ich kann Sie nur warnen, diesen Fehler zu begehen, Sie werden sich über genau die gleichen Dinge wie früher ärgern und streiten und letztlich wieder trennen. Halten Sie inne und überlegen, was Sie auseinander geführt hat und verirren Sie sich nicht in Ihrer Erinnerung. Diese ist immer verzerrt. Wir können gar nicht anders, sagt die Psychologie.