Kurz nachdem mein Mann und ich beschlossen hatten, uns zu ehelichen, erhielt ich Post von ihm. Wir wohnten schon damals zusammen und auch heute finde ich hin und wieder Briefe, Musik oder kleine Geschenke von ihm in unserem Briefkasten. Total romantisch, nicht wahr? Was jedoch damals auf mich wartete, war ein kleines Büchlein aus den späten 1940er Jahren mit dem verheißungsvollen Titel „Lieben und Geliebt zu werden. Ein Frauenbrevier.“
Ich dachte zunächst an einen Ratgeber über die Kunst der Verführung und für andere erheiternde Dinge. Nun, auch das lässt sich darin finden, aber es ist vor allem ein bemerkenswertes Zeugnis einer Zeit, in der Frauen noch wussten, wo ihr Platz ist. Nämlich hinter dem Herd und ihm, dem Herrn und Meister, ihrem Ehemann. Bevor Sie nun an der geistigen Gesundheit meines Mannes zweifeln, die darin enthaltenden Anregungen waren natürlich zu meinem Amüsement gedacht. Und mit dieser Ironie habe ich sie gelesen – und so konnte ich sie auch nur lesen.
Allerdings fand ich in diesem antiquarischen Buch eine Widmung aus dem Februar im Jahre 1960, die da lautete: „Meine liebe Hille! Vielleicht findest Du nach 20-jähriger Erfahrung doch noch einige Anregungen und Weisheiten. Von Herzen Dein Hein“. Seitdem frage ich mich, ob der Hein eine ebensolche unterhaltende Motivation hegte. Wenn, dann war er sicher keiner dieser „Früher war alles besser“-Nostalgiker, die es auch in den 1960er noch gut fanden, dass die Ehefrau die Erlaubnis ihres Mannes brauchte, um eine Arbeit aufzunehmen.
Tatsächlich treffen wir in den Kommentaren zu Ratgebertexten regelmäßig auf Lesermeinungen, die offenbar mit einer rosaroten Brille auf der Nase den Blick in die Vergangenheit richten und von der 50-jährigen Ehe ihrer Großeltern schwärmen, die ja heutzutage nicht mehr möglich wäre.