Die trennenden Kilometer sind nicht der Feind des persönlichen Glücks – sie können die Liebe sogar stärken. Moderne Technologien und neue Gadgets verhelfen zu ganz besonderer Intimität
„Also, eine Fernbeziehung kann ich mir auf Dauer echt nicht vorstellen“ – wie oft hat man das schon von Freunden gehört, irgendwo gelesen oder sogar selbst gedacht? Die Liebe auf Distanz ist für viele Menschen immer noch ein rotes Tuch. Führt man anfänglich eine Partnerschaft im selben Ort und flattert dann ein verführerisches Jobangebot aus weiter Ferne rein, läuft im Kopfkino vieler Paare schon der Abspann der eigenen Love Story. Kennt man es hingegen von Anfang an nicht anders, sehnt man sich ein Ende der langen Fahrten, sonntäglichen Abschiede und einsamen Durststrecken herbei. Die Kilometer werden zum Problem, zum Feind des persönlichen Herzensglücks erklärt. Dabei ist die Wochenendbeziehung gar nicht so furchtbar wie ihr Ruf. Vorausgesetzt man nutzt ihre Vorzüge.
Das kann doch gar nicht funktionieren
Okay, die Nachteile einer Partnerschaft an zwei Orten liegen auf der Hand. Nie ist man irgendwo so richtig, ständig muss man alles kompliziert koordinieren, Fahrten planen, Termine abstimmen, Freunden sagen „Nee, da bin ich in München bei Tom“. Und viel schlimmer: Man kann nicht knutschen, wenn man will. Nicht den anderen nach einem langen Tag in den Arm nehmen, beim Einschlafen seine Wärme spüren, Hände halten, Liebe machen. Man kann nicht spontan ins Kino gehen oder zum Lieblingsitaliener, wenn beiden danach ist. Die körperliche Nähe kommt zu kurz – und konzentriert sich so sehr auf gemeinsame Wochenenden und Feiertage, dass gelegentlich ein unangenehmer Aufhol-Druck entsteht. Heute müssen wir aber den Tag im Bett verbringen, uns anfassen, küssen, liebhaben und dringend miteinander schlafen. Wer weiß, wann’s wieder möglich ist? Ob man nun doll Lust hat oder nicht. Das jedoch ist nur eine Seite der Medaille. Und die andere glänzt dafür umso mehr.
Das Fernbeziehungsparadoxon: Mehr Intimität durch Distanz
Für Paare mit gemeinsamem Lebensmittelpunkt führt häufig genau das – die Allgegenwärtigkeit des anderen – zu einer unbewussten Entfernung voneinander. Während man sich körperlich nah ist, weil man eben jeden Abend zueinander nach Hause kommt, findet oftmals weniger Austausch auf der geistig-emotionalen Ebene statt. Weil man am Abend ganz einfach müde und reden so viel anstrengender ist, als zusammengekuschelt eine Serie zu schauen. Dass dieser physische Direktkontakt durch nichts zu ersetzen ist, steht außer Frage. Alles andere jedoch geht in modernen Fernbeziehungen genauso gut – wenn nicht sogar besser. Die Technik macht‘s: ortsunabhängiges Highspeed-Internet, Smartphones und Kommunikationsdienste sorgen heute dafür, dass man den Lieblingsmenschen jederzeit unmittelbar am eigenen Leben teilhaben lassen kann. Und andersherum auch keine emotionale Regung, keinen wichtigen oder noch so kleinen Moment aus der Welt des anderen verpasst.