Zwischen modernen Männern und Frauen kommt es oft zu Verletzungen und Trennungen. „Was fehlt?“ fragen viele Männer resigniert. Maja und Johannes Storch geben in ihrem neuen Buch eine Erklärung. Ein Auszug
Johannes Storch
Mein Beschluss
Ich als Mann habe vor einigen Jahren für mich beschlossen, dass ich genug Lebenszeit damit verbracht habe, Frauen zu verstehen – nein, besser ausgedrückt: zu versuchen, die Frauen zu verstehen. Immer, wenn ich glaube, ich hätte eine Ahnung davon, wie die Frau an meiner Seite tickt, was sie von mir erwartet, was sie im Leben und in unserer Partnerschaft erreichen will, kommt eine Situation, ein Moment, irgendetwas Unvorhergesehenes – und ich sehe mich plötzlich einer völlig fremden Frau gegenüber. Oft genug weist sie nur noch äußerliche Ähnlichkeiten auf mit der Frau, die ich zu kennen glaube. Dieser »neuen« Frau kann ich nichts recht machen, ich enttäusche sie mit meinem Verhalten. Sie kritisiert mich dann aufs Schärfste, ist aufgebracht oder zeigt mir die kalte Schulter.
Ist der Sturm schließlich vorübergezogen, verwandelt sie sich gewöhnlich wieder zurück in die mir vertraute Partnerin. Aber bei mir bleibt die Unsicherheit, einfach nicht genau zu wissen, mit wem ich es eigentlich zu tun habe. Ein Gefühl, das sich tief in mir eingeprägt hat und das in mir einmal mehr den Eindruck verstärkt, dass es nicht möglich ist, eine Frau wirklich zu erfassen. Von Männerfreundschaften kenne ich das völlig anders. Mein bester Freund Ernst ist für mich in seinem Verhalten immer prima einzuschätzen. Ich weiß, woran ich mit ihm bin, wo seine wunden Punkte liegen und wie ich ihm eine Freude machen kann. Ich kenne unsere Themen und kann mit seiner Offenheit, aber auch mit seinem Schweigen umgehen. Bei Frauen kenne ich eine solche Sicherheit nicht.
Da ich diese Wechselbäder über lange Zeit hinweg mit völlig unterschiedlichen Frauen und in ganz unterschiedlichen Altersstufen meinerseits und ihrerseits gemacht habe, bin ich mittlerweile zu folgender Erkenntnis gekommen: Die einzige Person, die ich wirklich kenne, bin ich selber. Es ist deshalb das Einfachste, ich selbst zu bleiben. Dann gibt es in der Partnerschaft zumindest eine feste Komponente, nämlich mich.
Wohlgemerkt – damit habe ich den Faktor Frau immer noch nicht verstanden! Ich bin auch künftig nicht vor unvorhergesehenen Reaktionen gefeit. Aber ich kann jetzt für mich klarer entscheiden, ob ich mir das Wechselbadtheater noch einmal antun will. Oder ob ich meinen Koffer packe und von dannen ziehe. Ich habe beschlossen, dass ich mein Restleben nicht mehr mit aussichtslosen Projekten verschwenden will. Vielmehr möchte ich ein glückliches und zufriedenes Leben führen – mit einer Frau an meiner Seite, die zu mir passt und die mir das Gefühl gibt, das Richtige zu tun (zumindest meistens). Wenn ich diese Frau gerade nicht finden kann, bleibe ich eben Single, anstatt mich erneut einer Beziehung auszusetzen.
Maja Storch
Die Schattentheorie von C. G. Jung
Was meinen Bruder zu seinem Beschluss getrieben hat, ist – in seinen Worten – ein Wechselbad, das er in mehreren Beziehungen mit starken Frauen erlebt hat. Er beschreibt, dass eine Frau, die auf den ersten Blick autonom wirkt, plötzlich zu einem anderen Wesen wird: Sie vertritt andere Werte und kann extrem biestig und zickig werden, wenn der Mann diese neuen Werte nicht auf Anhieb begreift und sein Verhalten danach ausrichtet. Das Problem bei diesem Wechselspiel: Die beiden Wertesysteme, die in einer Frau lebendig werden, können sich völlig widersprechen. Als hätte man es mit Dr. Jekyll und Mrs. Hyde zu tun. In der einen Rolle ist die Frau selbstständig, denkt und spricht sachlich, klar und logisch. Sie führt ein eigenständiges Leben, und zwar nach Regeln, die für den Mann transparent und nachvollziehbar sind. In der anderen Rolle ist sie klammernd und möchte, dass man ihr die Wünsche von den Augen abliest. Sie zeigt eine Palette von Gefühlen, die einem Mann in hohem Maße irrational erscheint. Zusätzlich hat sie nahe am Wasser gebaut, kann vom Weinen aber auch blitzschnell zur Boshaftigkeit switchen.
Viele Männer erklären sich diese weiblichen Mutationen mit den Hormonen: Entweder hat ihre Frau ein prämenstruelles Syndrom, oder sie hat gerade ihre Tage, oder ihre Tage sind gerade vorbei. Irgendwas ist immer. Das ist bei Frauen so, damit muss ein Mann sich abfinden wie mit schlechtem Wetter.
Die Frauen, denen solche Mutationen widerfahren, fühlen sich jedoch in den meisten Fällen selbst sehr unwohl. Nach dem Erscheinen meines ersten Buches hatte ich unzählige Kontakte mit Frauen, die sich in dieser Beschreibung wiedererkannt haben. Und alle waren mit sich selber in dieser Hinsicht überhaupt nicht einverstanden. Die meisten dieser Frauen waren reflektiert und selbstkritisch – und sie waren sich völlig darüber im Klaren, dass man einem Mann so etwas eigentlich nicht zumuten kann. Aber sie waren diesem Geschehen ebenfalls hilflos ausgeliefert. Alle Einsicht, alle Verstandeskraft, alle guten Vorsätze konnten sie nicht davor bewahren, dass die andere Frau in ihnen in völlig unvorhersehbaren Rhythmen in Erscheinung trat. Als seien sie von einem bösen Geist besessen, der ein Eigenleben führt.
Besonders unangenehm machen sich diese zwei Seiten bemerkbar, wenn sich die Frau verlieben möchte oder wenn sie auf der Suche nach einer langfristigen Beziehung ist. Vom Kopf her weiß sie, dass sie genau nach dem Typ Mann suchen möchte, den mein Bruder selber darstellt. Eingangs habe ich ihn als den neuen Mann beschrieben, manchmal nenne ich ihn auch den Mann mit dem Alice-Schwarzer-Gütesiegel: einer, der Kinder will, der völlig selbstverständlich seinen Teil im Haushalt erledigt, der ihr den Rücken freihält, wenn sie im Job viel um die Ohren hat, der keine Probleme mit seiner Männlichkeit kriegt, wenn sie mehr verdient als er. Kurzum: ein emanzipierter Mann mit jenen Werten, die die Frauenbewegung für die Frauenwelt erkämpft hat. Das Dumme ist nur, dass dieser Männertyp auf viele Frauen nicht gerade umwerfend sexy wirkt. Sie lassen sich mit dem politisch korrekten Mann vielleicht aus Vernunftgründen ein – aber bei anderen Männern schmelzen sie dahin. Das sind dann durchwegs Typen, die in Alice Schwarzers Magazin unter der Rubrik »Pascha des Monats« erscheinen könnten. […]
“So können starke Männer starke Frauen lieben. Warum manche Männer wieder Machos werden müssen”
EUR 19,99 / EUR [A] 20,60 / sFr. 26,90
ISBN 978-3-451-61389-0
erschienen bei Herder 2016