Eine Liebe und zwei Wohnungen – ist das wirklich Liebe?

Lisa ist mit ihrem Faible für eine Beziehungsform mit getrennten Wohnungen nicht allein, es gibt Schätzungen, dass inzwischen jedes sechste Paar in Deutschland sich den Luxus von zwei Wohnungen leistet, vor allem Paare in Großstädten, die jenseits der 40 sind, über ein sehr gutes Einkommen verfügen und das Kapitel mit der Kinderfrage abgeschlossen haben.

Lisa beteuert: „All unsere Voraussetzungen sprechen doch dafür, dass es unserer Beziehung überhaupt keinen Abbruch tut, dass wir getrennt wohnen. Kinder sind für uns kein Thema, wir verdienen beide ausgezeichnet. Wir verbringen unsere Zeit sehr gern zusammen, warum müssen wir denn noch zwingend unter einem Dach leben? Ich verstehe Christian einfach nicht, wir retten doch unsere Leidenschaft, unsere Romantik, wenn ich nicht jeden Abend seine Socken im Schlafzimmer liegen sehe. Er tut so, als würde ich ihn nicht lieben. Dabei liebe ich Christian über alles, ich möchte ihn unbedingt in meinem Leben haben, nur eben nicht dauerhaft in meiner Wohnung.“

Akzeptanz des Liebesbegriffs des anderen

Ein unlösbares Dilemma? Christian war kurz davor, die Beziehung zu Lisa zu beenden, nicht, weil er sie nicht mehr liebt, sondern weil er denkt, sie empfinde keine Liebe für ihn. Er nimmt sich eine Auszeit. Lisa und er sehen sich drei Monate nicht. 

Christian: „Ich habe viel nachgedacht und mir therapeutische Unterstützung gesucht. Mir wurde klar, dass das ein Knackpunkt in meinen anderen Beziehungen war, dass ich immer mein Verständnis von Liebe durchsetzen wollte, dass ich knallhart zu meinen Partnerinnen gesagt habe, wenn Du das so oder so machst, dann liebst Du mich nicht mehr. Ich habe kein Recht, Lisa zu unterstellen, dass sie mich nicht liebt, weil sie, was das Wohnen angeht, eine andere Vorstellung hat. 

Wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, fühle ich mich auch von ihr geliebt. Es ist ein Machtkampf zwischen uns. Im Innersten weiß ich, dass es gute Gründe gibt, nicht in einer Wohnung zu leben, auch wenn das nicht die von mir angestrebte Beziehungsform ist. Und Lisa hat sich ebenfalls entwickelt, sie hat ihre Polemik aus der Debatte genommen, sie respektiert meine Vorstellungen und erhebt sich nicht mehr über mich, sie tut nicht mehr so, als wenn ich nichts von wahrer Liebe verstünde, nur weil ich den gemeinsamen Alltag nicht als Beziehungskiller sehe, sondern als Herausforderung und Bereicherung. 

Lisa und ich haben einen Kompromiss gefunden: Wir geben uns einfach Zeit, es eilt schließlich nicht mit dem Zusammenziehen. Wir machen jetzt einfach weiter wie bisher, und in zwei Jahren setzen wir uns wieder an einen Tisch. Ich habe mich darauf besonnen, dass ich mich schließlich darin verliebt habe, dass Lisa unkonventionell ist. Da kann ich jetzt nicht fordern: Sei wie andere Frauen. Ich akzeptiere einfach fürs Erste, dass es Lisa ernst ist mit mir, mit uns, ohne dass wir ein gemeinsames Heim haben. Ich erreiche nichts damit, dass ich Druck mache bei Lisa. Damit schade ich unserer Liebe, die ja in sich wunderbar ist. Und weil sie wunderbar ist, werden wir jetzt heiraten.“


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