Eben noch fand er mich toll – was ist nur passiert?

Gefühle sind ein wackeliges Fundament

Im nächsten Moment lächelte er honigsüß – doch seit diesem Morgen keimte in mir eine Ahnung des Gefühls, das meine Mutter beschrieben hatte. Das Gefühl, für jemanden unattraktiv zu werden, der einen eben noch umwerfend gefunden hatte. Heute kann ich es einsortieren. Ob äußerliche Kleinigkeiten oder grundlegende Wesenszüge: Nicht selten sind es gerade die Dinge, die man am anderen zuerst irrsinnig gut findet, die einen irgendwann abstoßen. Persönlichkeitsmerkmale werden zu Macken, kleine Eigenheiten zu Störfaktoren, das Lachen zu laut, der Po zu dick, die Witze zu rau. Etwa so war es in meinem Fall – und meine Beziehung ging kaputt. Warum? Weil die Welt sich jeden Tag verändert, weil Menschen sich verändern und ihre Ansprüche und Vorlieben gleich mit. Gefühle sind wandelbar und darum für langfristiges Glück ein wackeliges Fundament. Doch es gibt ein viel besseres, eins, das hält und Wind und Wetter trotzt. Worauf also muss Liebe bauen, um zu bestehen?

Liebe ist eine tägliche Entscheidung

Die Antwort ist so einfach, wie in der Realität schwer zu meistern. Denn sie hat mit Arbeit zu tun. Mit aufrichtigem Engagement für die Partnerschaft: Die beste Basis für Langzeitliebe ist keine flüchtige Empfindung, sondern die Bereitschaft, sich jeden Tag aufs Neue für den Menschen an seiner Seite zu entscheiden. Sich daran zu erinnern, was ihn für einen selbst seit dem ersten Tag so besonders macht – die Lachfalte im Mundwinkel, das Meer von Sommersprossen auf den Schultern, die liebenswerte Besserwisserei, der einzigartige Witz, die Begeisterungsfähigkeit. Es geht darum, den anderen anzusehen, ihn ihm immer wieder die Liebe zu suchen und es jedes Mal zu zeigen, wenn man sie findet.

Mein Vater hatte sich für meine Mutter entschieden und ich wusste genau, dass er es jeden Morgen wieder tat, wenn er die Augen aufschlug. Doch er war über die Jahre bequem geworden und hatte verlernt, wie wichtig es war, sie das auch spüren zu lassen. Ich nahm den Hörer in die Hand und rief ihn an. Er versicherte mir, dass er keine Entscheidung bereute. Und das fortan auch zeigen wollte.


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