Der Morgen danach

Mit welchem Mann eine Frau fremdgeht, spielt keine große Rolle. Er ist im falschen Moment an der richtigen Stelle – und hat es verdammt leicht. Es reicht, seinen Vornamen zu kennen, seine Küsse zu mögen. Grobe Umrisse, die es erlauben, alle Sehnsüchte in dieses unvollständige Bild hineinzumalen. Der Neue hat eine weiße Weste. Das macht ihn attraktiv, er wird idealisiert. Ein Riesenvorteil, denn in Partnerschaften sammeln sich naturgemäß eine Reihe von Enttäuschungen an. Manchmal ist es einfacher (und aufregender), einen Fremden zu verführen, als mit dem Partner Klartext zu reden.

Der Nebel in Laras Kopf lichtet sich. Sie schaut Paul an, wie er quer über dem Bett liegt, ein Fuß hängt über der Kante. Eine Sekunde lang ist sie gerührt, dann sammelt sie schnell ihre Klamotten ein. Sie muss raus hier. Finn anrufen.

Je aufregender der Seitensprung, desto schwerer die Rückkehr in die Realität

Die scheinheilige Variante geht so: alle Spuren beseitigen, zurück in den Alltag schlüpfen, den betrogenen Mann küssen und lieben wie sonst auch. Oder man nimmt allen Mut zusammen, gesteht und bittet um Verzeihung. Ergebnis? Ungewiss.

Laut einer Umfrage der Gewis, der Gesellschaft für Erfahrungswissenschaftliche Sozialforschung, würden 47 Prozent der Frauen und 38 Prozent der Männer einen einmaligen Seitensprung gestehen. Die knappe Mehrheit genießt und schweigt. Andersherum wird allerdings absolute Wahrheit erwartet. 76 Prozent der Frauen und 85 Prozent der Männer möchten vom Ausrutscher des Partners wissen.

Ob die Liebe diese Wahrheit aushalten kann? Lara ist sich nicht sicher. Sie wird ihr Geheimnis für sich behalten. Vorerst.


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