Nun sind es schon zwei Kinder. Wirklich bemerkenswerte Menschen, originell und zauberhaft. Aber auch ganz schön anstrengend. Und sie bringen das Leben durcheinander. Und mich auch. Plötzlich merke ich: Ich habe eine neue Superpower. Ganz ohne dass ich das bemerkt habe, scheine ich jetzt immer ein Cape zu tragen, auf dem in Leuchtschrift Mami macht das steht.
Auch mein Mann hat das offenbar verinnerlicht. Je organisierter und multitaskingfähiger ich werde, desto mehr wird an mich outgesourct. Er stellt mir Fragen wie:
»Bärbel, wo ist denn die Butter?«
»Wo ist denn mein Geldbeutel?«
»Wo ist denn nur mein Wintermantel?«
Noch bevor er überhaupt nachgeschaut hat. Das ist auch so eine Auswirkung des digitalen Zeitalters. Anstatt selbst zu überlegen, googeln wir alles. Anstatt selbst nach dem Schlüssel zu suchen, geben wir die Suchanfrage bei Bärbel ein, die hat das doch alles im Kopf. Natürlich habe ich das. Weil ich muss. Weil wir sonst nur noch suchen würden. Leider kann man ja außer dem Handy nichts klingeln lassen, um es wiederzufinden. Wusste ich früher nur, unter welchem Kleiderhaufen die Handtasche liegt, in der mein Lippenstift ist, notiere ich heute blitzschnell im Kopf, wer in unserer Familie was wo abgeworfen hat und was draufgefallen ist. Ich merke mir, wohin er seine Schlüssel gelegt hat, in welcher Kiste seine Wintersachen sind und welcher Wochentag heute ist. Ich merke mir, in welche Sofaritze unser Sohn das Pokémon gestopft hat, wo Andreas Lieblingshaarspange ist und auf welcher Seite im Buch wir waren. Alles gleichzeitig im Kopf zu haben, das ist meine neue geheime Superpower. Die alte Superpower »Spaß haben und locker bleiben« war auch nicht schlecht, nur kann ich damit im Augenblick weniger anfangen und sie verblasst immer mehr, weil ich sie so wenig benutze. Wenn Michael nach Hause kommt, legt er grundsätzlich seinen Fahrradhelm und seine Tasche und die Post auf die Kücheninsel. Es ist genau die Stelle, über die er beim Einzug sagte, dass wir die nicht so vollmüllen dürften. »Das sieht sonst blöd aus.« Ja, stimmt, sieht blöd aus. Und jeden Tag ein bisschen blöder. Und unpraktisch ist es außerdem, weil ich dann immer alles beiseiteschieben muss, wenn ich Brot schneiden oder die Küche sonst wie als Küche benutzen will und nicht als Fundsachen-Sammelstelle. Zum Glück verschwinden die Sachen, die er da hinlegt, irgendwann einfach an ihren Platz. Zauberei? Nein. Meine zweite geheime Superpower, um die ich nie gebeten hatte: aufräumen.
Wer hätte das gedacht? Meine Mutter lacht sich jetzt kaputt – ich und aufräumen! Darin war ich früher nie besonders gut und hatte auch wenig Lust darauf. Meine Singlebuden sahen immer schlimm aus. Aber ich wusste ungefähr, in welchem Berg ich wühlen musste, um einen bestimmten Schal oder eine Salatschüssel zu finden. Mit Familie ist das schwieriger. Zwei Menschen machen mehr als doppelt so viel Unordnung wie einer. Und zwei Kinder mehr als doppelt so viel wie zwei erwachsene Menschen. Mit Kind steigt die Unordnung exponentiell, mit zwei Kindern wird sie n-fach potenziert oder so. O. k., in Mathematik war ich jetzt nie so wahnsinnig gut – es wird jedenfalls schlimm! Da muss man eine wasserdichte Strategie entwickeln, um nicht zu versinken. Unsere funktioniert so: Ich räume auf. Nur mein eigener Papierkram bleibt manchmal liegen. Am Ende der Woche schiebt mein Mann dann gerne alle meine Unterlagen auf dem Schreibtisch zu einem Haufen zusammen und stopft sie in irgendeine Schublade. Er sagt dann, er wolle »endlich mal Ordnung machen«, weil ihn das sonst störe.
Männer nerven. Echt. Die einzige neue Superpower, die sie entwickeln, ist Dickfelligkeit. Und wenn sie dann doch einmal die Spülmaschine ausräumen, erwarten sie, dass man sie ausführlich dafür lobt. Neulich erzählte eine Mutter auf dem Spielplatz, dass ihr Mann nachts die Windeln des Kleinen wechsle. Ohne Aufforderung. Alle umstehenden Mütter jauchzten auf. »Oh, wie toll. Was für ein super Vater.«
»Ich habe das auch gemacht«, sage ich laut. »Die Windeln gewechselt. Ohne Aufforderung.«
Ich erntete verwirrte Blicke.
Ich will das nicht. Das muss sich ändern. Ich muss einen Plan machen. Aber erst mal räume ich die Spülmaschine aus.“
Bärbel Stolz on tour:
23.05.2019, Buchpremiere:
Berlin, Pfefferberg Theater, 20:00
05.06.2019:
Ulm, Roxy Studio, 20:00
06.06.2019:
Stuttgart, Rosenau, 20:00
14.12.2019:
München, Wirtshaus im Schlachthof, 20:00
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Bärbel Stolz, Ich bin dann mal Ex © Goldmann, April 2019