beziehungsfähig ist das neue Schwarz

Felix glaubt, dass er lässig und entspannt rüberkommt, wenn er sich nicht festlegt. „Lass mal chatten“, ruft er gerne zum Abschied. Und alle spielen mit. „Ja, lass mal chatten“, hallt es unverbindlich zurück. Niemand meldet sich, das Spiel versandet. Nur keine Blöße zeigen, lieber schnell den nächsten Achtsamkeitskurs buchen. Doch viele vergessen, dass die ersehnte Selbstverwirklichung sogar in einer Beziehung möglich sein kann. In guten Partnerschaften geht es niemals um klebrige Zweisamkeit, sondern um eine gemeinsame Entwicklung der Persönlichkeit. Ja, den Partner darf man ruhig in die Selbstfindung einbeziehen. Um so einen wunderbaren, unterstützenden und beflügelnden Partner zu finden, muss man mutig sein. Mutig genug, um auf die Bremse treten. Das große Plappern und Rauschen da draußen ruhig mal ignorieren. Eine Facebook-Diät machen und feststellen, dass sich in auch in siebenTagen Abstinenz nicht sonderlich viel ereignet hat. Dem zweiten Blick eine Chance geben. Nicht möglichst viele Tinder-Flirts treffen, sondern sich genau für einen Menschen entscheiden. So schwer kann es nicht sein, denn die „Generation Beziehungsunfähig“, das sind ja längst nicht alle, sondern vor allem die Trendsetter aus Berlin und anderen Metropolen.

Verbindlichkeit als USP

„Wäre es nicht viel lässiger, wenn DU die Regeln änderst?“, frage ich Felix und rede mich in Rage. „Es wäre doch ein absoluter Überraschungshit, ein USP (!), wenn Du Dich plötzlich anders verhältst.“ Mal verbindlich, freundlich, aufgeschlossen sein. Ganz konkret ein nächstes Date vorschlagen. Old School, in einer Bar um die Ecke, in echt und nicht virtuell. Allein diese Idee wirkt schon so exotisch, dass sie einschlagen könnte. Felix könnte ein Pionier seiner Generation werden, ein Outlaw, ein wildes, seltenes Tier. Und sich damit ins Gedächtnis brennen und profilieren. Denn dass all diese Optionen – vom anonymen Sex bis zur „living apart together“-Beziehung – überhaupt existieren, ist ja an sich eine großartige Sache. Doch anstatt sich in das Getümmel zu werfen und unter die Räder zu kommen, könnte man es auch steuern. Mit Kopf und Herz. Felix hat es probiert. Morgen trifft er ein Mädchen immerhin zum vierten Mal. Ein Riesenerfolg, jedenfalls ganz im Sinne der Selbsthilfegruppe aller Beziehungsunfähigen.


Weitere interessante Beiträge