Beziehung ist kein Schicksal
Nur wer an eine gemeinsame Entwicklung seiner Beziehung glaubt, wird sich an deren Ausgestaltung mit Freude und Engagement beteiligen können. Wer jedoch denkt: „Geschafft, das war’s dann, jetzt kann ich mich zurücklehnen“, wird aufs Beziehungsglück vergeblich warten, so die Psychologen Klaus A. Schneewind und Jürg Willi. Nach ihren Erfahrungen und Studien ist unabdingbar, dass die Partner das Entwicklungspotenzial ihrer Beziehung sehen und Bereitschaft zeigen, den Partner an der eigenen Entwicklung teilhaben lassen. Mit einer Beziehung lassen wir uns demnach auf einen Prozess ein, der permanent (positive) Herausforderung bedeutet und die Beziehung immer wieder erneuert.
Allerdings hat jeder Mensch eine andere Einstellung zur Partnerschaft, andere Hoffnungen und Wünsche. Grundsätzlich können zwei verschiedene Arten der Erwartung unterschieden werden: Die Schicksals- und die Wachstumserwartungen.
Beziehung ist nicht selbstverständlich
Wenn Sie sagen: “Zwei Menschen treffen sich, verlieben sich und bleiben glücklich zusammen bis an ihr Lebensende”, dann gehören Sie zu den Schicksalorientierten Menschen. Solche Personen sehen den Verlauf einer Beziehung vom ersten Blickkontakt an als sehr stark vom Schicksal abhängig. Sie suchen den richtigen Partner, und wenn der gefunden wurde, dann klappt das auch mit der Beziehung.
Wachstumsorientierte hingegen denken, zwei Menschen müssen sich in einer Partnerschaft erst einmal zusammen raufen, um Schritt für Schritt zueinander finden zu können. Diese Personen glauben an den eigenen Einfluss innerhalb einer Beziehung und daran, dass sie selbst dafür verantwortlich sind, wie die Beziehung dann läuft.
Der Unterschied liegt auf der Hand: Wachstumsorientierte Menschen sind viel eher bereit, gerade in der ersten Kennenlernphase, in ihre neue Beziehung zu investieren. Sie werden auch bei einer Enttäuschung nicht so schnell aufgeben wie Schicksalsorientierte Menschen, die rasch dazu neigen, vor allem eine falsche Partnerwahl als Grund für die Probleme anzusehen. Wer nämlich auf grundsätzliches Entwicklungspotenzial von Beziehungen vertraut, sieht seine Partnerschaft sowie seinen Partner differenzierter. Dies führt dazu, nicht sofort den Partner für eventuelle Schwierigkeiten verantwortlich zu machen. Im Gegenteil, Wachstumsorientierte sehen Probleme als normal und zu bewältigen an, sie trauen sich und ihrem Partner zu, die Berg- und Talfahrten einer Beziehung meistern zu können. Daraus kann im besten Falle ein starkes “Wir”-Gefühl erwachsen, das äußere Einflüsse nur schwer aufbrechen können. Und hier kommt die Positivität wieder zum Tragen: Eine optimistische Grundeinstellung kann entscheidend zum Gelingen einer Beziehung beitragen.
Das klingt vielleicht, als hätten Schicksalsorientierte in einer Beziehung schlechte Karten, weil sie schnell die Flinte ins Korn werfen und einen Partner bei Problemen rasch gegen einen vermeintlich passenderen Partner tauschen. Doch am zufriedensten sind die Paare, die sowohl an das Schicksal als auch an das Wachstum glauben, denn daraus kann das größte Entwicklungspotenzial entstehen. Die besten Chancen bestehen demnach, wenn Partner aufeinander treffen, die vom ersten Augenblick an das Gefühl hatten, sie würden gut zusammen passen und gleichzeitig überzeugt sind, dass ihre Beziehung nur durch gemeinsame Arbeit wachsen kann. Oder: Das Schicksal hat uns zusammengeführt, aber wir nehmen die Beziehung nicht als selbstverständlich hin. Dadurch erhöht sich der Stellenwert der Beziehung im Vergleich zu anderen Lebenszielen und die Bereitschaft, etwas für den Erfolg unserer Partnerschaft zu tun.