Auseinandergelebt wegen Langeweile
Für jüngere Paare ist Langeweile häufig ein Gefühl der Bedrohung, weil die Aufgeregtheit der ersten Verliebtheit vergangen ist. Sie fürchten, das wäre es jetzt gewesen. Dabei ist gut möglich, dass die Beziehung jetzt in eine neue Phase eintritt, in der es mehr um Commitement und Aufbau gemeinsamer Werte geht, als um neue Erfahrungen miteinander. Diese Veränderung fühlt sich möglicherweise an, als wäre man vom ICE in einen Regionalzug umgestiegen.
Der Vorteil: nun können die Reisenden die Umgebung genießen, weil sie nicht mehr “vorbeifliegt”.
Der Nachteil: die Euphorie des Anfangs ist weg.
Langeweile kann ebenso bedeuten, dass die Partner in sich ruhen. Dass Sie kein Drama benötigen, keine Aufregung – weder von innen, noch von außen. „Lass uns zusammen auf dem Sofa alt und dick werden“, das ist nicht für jedes Paar eine Drohung. Viele Menschen finden Langeweile klasse, vor allem, wenn sie lange um eine Beziehung haben kämpfen müssen oder wenn sie viele Schicksalsschläge erlebt haben. Der eine Partner empfindet die Langeweile vielleicht als Bedrohung – der andere aber als Erfüllung: Endlich kein Streit, keine Bedrohung, endlich angekommen sein.
Das man sich wegen Langeweile auseinanderlebt, kann dann geschehen, wenn der Eintritt in die neue Lebensphase von den Partnern alleine, also jeweils mit sich selbst, ausgefochten wird. Diese Intrusion, dieses In-sich-Hineinfressen von Sorgen und Ängsten, macht nämlich unerreichbar. Und damit kommen wir zum nächsten häufigen Grund für das Auseinanderleben:
Auseinandergelebt wegen mangelnder emotionaler Nähe
Um sich in einander verlieben zu können, braucht es emotionale Kontaktflächen. Das bedeutet, die Partner müssen einander Emotionen anbieten, damit sie sich im anderen erkennen oder spiegeln können. Denn durch den Eindruck der “gemeinsamen Wellenlänge” fühlen sie sich verbunden und verspüren das Bedürfnis, noch mehr vom anderen erfahren zu wollen. Ähnlichkeiten geben Geborgenheit und Sicherheit. Sie führen zum Mut, sich zu öffnen für den anderen. Denn dieses Öffnen birgt das Risiko, dass da eben doch Untiefen und Unterschiede zum Vorschein kommen könnten.
Wer verletzt wurde in früheren Beziehungen (oder vom Partner) wird damit möglicherweise große Schwierigkeiten haben. Schließlich sorgen unsere bewussten und unbewussten Schutzstrategien dafür, dass wir vermeiden erneut ein Risiko einzugehen, wenn dieser Weg zuvor zu Schmerzen geführt hat. Niemand fasst wirklich begeistert ein zweites Mal auf die heiße Herdplatte. Und hat man sich mit dem geliebten Menschen richtig fies gestritten, dann ist sozusagen der diese heiße Herdplatte. Die schreckt dann ab. Es braucht viel Mut und Vertrauen in sich selbst, dass man auch erneut eine Verbrennung überstehen würde, um erneut eine Berührung zu wagen. Je mehr Verbrennungen, umso schwerer wird es.
Je mehr Verletzungen, umso mehr Schutzstrategien werden entwickelt und letztlich dadurch umso mehr Distanz. Denn, wenn man jemanden nicht an sich heranlässt, dann kann der einen ja auch nicht so sehr verletzen. Grundsätzlich richtiger Gedanke, führt dieser aber dazu in der Konsequenz, dass man sich auseinanderlebt. Denn Nähe lässt sich nun einmal nicht durch Distanz herstellen.