Akademikerinnen um die 30 auf Partnersuche klagen häufig über beziehungsvermeidende Männer. Was hat klassische Rollenverteilung damit zu tun?
Dies hat mindestens zwei Gründe: Zum einen ist Männlichkeit eben noch stark an die Ernährerrolle gebunden. Deshalb verschieben Männer die Familiengründung oft auf eine Phase, in der sie sich beruflich etabliert fühlen. Zum anderen ist die Vorstellung von Männlichkeit sehr stark mit Autonomie verknüpft. Eva Illouz hat dies schön herausgearbeitet, es hat sich aber auch in unserer Studie etwa anhand von Attraktivitätsvorstellungen bestätigt: Insbesondere Männer müssen ihre Unabhängigkeit unter Beweis stellen. Die kulturelle Erwartung an Frauen ist stattdessen weiterhin vor allem eine Bindungsorientierung. Dies führt dann zu dem Gefälle, das Sie beschrieben haben: Frauen wollen sich binden – Männer zögern. Ein weiterer Grund ist zudem sicherlich auch unsere heutige Erlebniskultur und das verbreitete Streben nach Selbstverwirklichung: Man(n) hat Angst, etwas zu verpassen. Das gilt aber nicht nur für Männer, sondern für alle.
Immer mehr Männer kommen verunsichert in die Beratung. Sie fürchten, den Anforderungen nicht mehr gerecht zu werden. Welche Ansprüche stellen Frauen heute an die Lebenspartner?
Die Ansprüche an Beziehungen sind insgesamt gestiegen – bei hochgebildeten Paaren ist dies sicherlich in besonderem Maße der Fall. Beide Partner, aber insbesondere eben auch Frauen haben mittlerweile hohe Ansprüche – an sich selbst wie an ihre Beziehung. Sie wollen einen Partner, der beruflich engagiert ist, mit dem sie sich ‚auf Augenhöhe‘ unterhalten können, der zugleich aber emotional und aufmerksam ist und sich in die Sorgearbeit zuhause einbringt. Unter der gegenwärtigen Konstellation von unsicheren Arbeitsverhältnissen, winner-takes-it-all-Märkten, hohem Erfolgsdruck auf alle und Vereinzelungstendenzen führt dies zu einer hohen Belastung und zu Sprengpotential in Beziehungen.
Mangelndes Selbstbewusstsein führt oft zu unsicherem Bindungsverhalten. Wenn das Selbstbewusstsein der Männer leidet, wenn sie nicht mehr Familienernährer sind, wie steuern die von Ihnen untersuchten Paare dagegen?
Viele unserer Paare versuchen, gemeinsam einen Statusverlust abzuwenden. In Milieus mittlerer Angestellter wird die Erwerbskrise mit einer starken Orientierung auf die Familie und das Gemeinsame abgefedert. Hier findet bei höherem Verdienst der Frau in der Regel tatsächlich ein Rollentausch statt. Typischerweise wird die häusliche und erzieherische Leistung, die der Mann nun übernimmt, besonders unterstrichen, gerade auch von der Frau. Hier wird Sorgearbeit aufgewertet – was gesamtgesellschaftlich auch wichtig wäre. Zudem suchen sich die Männer Betätigungsfelder außerhalb der Familie, etwa in Ehrenämtern, in denen sie auch an anderen Orten Anerkennung erfahren. Diese Maßnahmen helfen, das Selbstwertgefühl aufrecht zu erhalten und eine tatsächlich nicht auf Erwerb gepolte Männlichkeit zu leben. Das funktioniert nicht zuletzt, weil das Geld als gemeinsames Familiengeld betrachtet wird – auch wenn unterschwellig trotzdem manchmal die eigentliche Entscheidungsmacht bei der Frau liegt.