Warum mein Freund und ich uns vor circa drei Jahren für eine offene Beziehung entschieden haben? Meine Bisexualität war definitiv kein ausschlaggebender Grund hierfür. Aber wir hatten beide unsere Gründe, denn wir hegten die gleichen Vorstellungen von Intimität.
Sex und Liebe waren für uns beide immer schon zwei verschiedene Paar Schuhe gewesen. Bevor wir anfingen uns romantisch zu daten, führten wir eine lockere Affäre, in der wir offen über unsere weiteren Spielgefährten sprachen. Warum sollte sich dies fortan ändern, nur weil wir bemerkten, dass wir uns auch auf emotionaler Ebene näherkommen? Schließlich hatte uns der Sex mit anderen auch nicht davon abgehalten, überhaupt an diesen Punkt zu kommen, an dem wir merkten, dass wir mehr als nur „Freunde mit gewissen Vorzügen“ sind.
Darüber hinaus waren meine monogamen Beziehungen in der Vergangenheit alle am selben Punkt gescheitert: Alltag, Langeweile, Routine, Frust. Ich hatte also genug vom konservativen Beziehungsmodell. Mein Partner wiederum hatte nicht wirklich viel Erfahrung in dieser Hinsicht vorzuweisen, dennoch wollte er weiterhin seine persönliche sexuelle Autonomie genießen. Immerhin hatten die vielen Jahre als Single ihm gezeigt, wie sehr er seine Affären von seiner Gefühlswelt abgrenzen kann.
Nur weil etwas erlaubt ist, passiert es nicht ständig
Wir waren also beide überzeugt davon, dass temporäre Vergnügen mit Dritten auch weiterhin keine Gefahr für uns darstellen würden. Schließlich treffen wir uns auf einer anderen Ebene – auf der Gefühlsebene. Am Ende empfanden wir wohl beide aufgrund unserer Erfahrungen das klassische monogame Beziehungsmodell als einengend und die Neugier, eine alternative Beziehungsform auszuprobieren, siegte. Zugegeben, die ersten Monate haben wir trotzdem monogam gelebt. Die rosa-rote Brille, viel Zeit zu zweit, wie das am Anfang eben nun mal ist.