Leider neigen die Menschen unserer Zeit dazu, in der Liebe marktwirtschaftlich gesehen auf ihre Kosten kommen zu wollen. Wenn sie jemandem zuliebe etwas tun, erwarten sie häufig das Gleiche zurück: quid pro quo. Diese Rechnung geht nicht auf. Ich sage es immer wieder: Die Liebe ist seit geraumer Zeit in einer schweren Krise. Sie muss neu erfunden werden, das hat schon der französische Dichter Arthur Rimbaud gesagt, und der Philosoph Alain Badiou, Verfasser des hervorragenden Buchs „Lob der Liebe“, hat es aufgenommen. Die Liebe ist fast vollständig zum Gegenstand der Psychologie geworden, und das ist nicht der ideale Ort, um der Liebe gerecht zu werden, man braucht eine Idee von Liebe, einen Begriff, um mit ihr klarzukommen. Das kann die Philosophie leisten.
Deshalb sprechen wir miteinander, um den philosophischen Gedanken die Praxis gegenüber zu stellen. Aus der Paarberatung stammt daher auch die nächste Frage: Woran erkenne ich, dass die Liebe vorbei ist?
Aus meiner Sicht ist eine echte Liebe nie vorbei. Die Beziehung kann vorbei sein, weil die Liebe nicht mehr lebbar ist, nicht mehr praktikabel im Alltag. Trotzdem ist sie nicht zu Ende, nicht abgeschnitten und aus dem Bewusstsein und dem Herzen herausgekapselt, sondern sie ist ein Kapitel, das geschlossen wurde, aber alles, was in dem Kapitel steht, ist wahr gewesen und bleibt wahr. Wer im Nachhinein seine Liebe verhöhnt und verheizt, hatte von Anfang an keine Liebe. Alle Menschen, die ich kenne, die wahrhaft geliebt haben, tragen diese Liebe noch in sich. Vielleicht ist die Frage besser: Wann ist eine Beziehung vorbei? Wenn die Menschen müde sind? Wenn sie vor einem sitzen und sich nicht mehr ansehen und auch nicht mehr den Blick heben können, um sich in die Augen zu schauen? Wenn der Wille weg ist, zu kämpfen? Wenn die Achtung verschwunden ist, also die grundlegende Basis für eine Beziehung, die erst ermöglicht, dass sich „große“ Gefühle wie Leidenschaft ereignen können?
Das führt mich zur letzten Frage für heute, liebe Frau Ehrenberg: Wie oft kann man wirklich lieben?
Ich bezweifle, dass eine wahre Liebe je endet. So ein Wunder einer wirklichen endlosen Liebe kann man maximal drei Mal erleben, würde ich sagen. Und wenn man Glück hat, durfte man vielleicht mit allen drei Lieben zusammen sein. Dann ist man schon ein richtiger Glückspilz. Wie komme ich auf diese Zahl drei? Eine einzige große Liebe, danach für immer tote Hose, das ist mir zu verquast, zu pseudo-romantisch, daraus macht man einen Film, aber kein Liebesleben in der realen Welt. The one and the only, nein, das ist überhaupt nicht mein Konzept. Zwei Mal scheint mir realistisch, und ich kann mir vorstellen, dass sich Liebe auch ein drittes Mal ereignet. Vier Mal und mehr erscheint mir abwegig, das ist dann schon wieder beliebig und konsumistisch, das hieße, es kommt jeder als Objekt der Liebe in Frage. Wirkliche Liebe ist aber selten.
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