Etwa eine Stunde später trennen sich unsere Wege. Während meine beste Freundin nach Süden fährt, muss ich weiter in den Norden. Die gesamte Bahnfahrt lang kreisen meine Gedanken um die Frage, auf die wir vorhin keine Antwort wussten: „Woher weißt du, dass es Liebe ist?“ Ich verfange mich so sehr in Grübeleien darüber, dass ich fast meine Station verpasse. Es ist etwas, das sich wirklich nicht so leicht beantworten lässt, wenn man sich auf die wirklich messbaren Dinge konzentrieren will, und so etwas Irrationales wie Gefühle komplett außer Acht lässt.
Zuhause angekommen ziehe ich mein Mobiltelefon aus der Handtasche, und schreibe meiner besten Freundin, noch bevor ich Mantel, Schal und Jacke ausgezogen habe, eine Nachricht mit all meinen Erkenntnissen von der Bahnfahrt.
„Ich glaube, man kann nie wissen, ob es wirklich Liebe ist, oder doch nur eine kleine Geschmacksverirrung, die nach drei, vier Jahren ausgedient hat. Man muss sich dafür entscheiden, also wirklich bewusst dafür entscheiden, dass es Liebe sein soll und dann daran arbeiten. Das müssen natürlich beide wollen, aber wenn sie das tun, dann kann auch aus einer Geschmacksverirrung Liebe werden. Es hat jedenfalls genau wie du vorhin schon meintest weniger mit dem zu tun, was man selbst fühlt, als vielmehr mit dem, was man den anderen fühlen lassen will.“
Ihre Antwort lässt nicht lange auf sich warten: „Das klingt schlau! Aber vielleicht sollten wir uns darüber auch gar nicht so viele Gedanken machen, sondern das genießen, was wir haben!“ „Damit könntest du natürlich Recht haben!“, schreibe ich zurück, schließe den Messenger und wähle die Nummer meines Freundes, um ihm zu sagen, dass er von all den Geschmacksverirrungen, die ich habe, meine allerliebste ist.