3. Die Gegenwart gestalten statt an der Vergangenheit kleben
Wie reagierst du typischerweise in Situationen, in denen alte Wunden wieder aufbrechen oder aufzubrechen drohen? Ziehst du dich dann zum Beispiel zurück und willst nichts mehr mit der „bösen Welt da draußen“ zu tun haben? Rufst du eine Freundin an und schüttest ihr dein Herz aus? Wirst du wütend und lässt diese Wut an anderen Menschen aus? Unterschiedliche Menschen – unterschiedliche Reaktionen. Damit du in einem späteren Schritt langfristig gesünder auf emotionale Schmerzen reagieren kannst, ist diese Selbstreflexion sehr wichtig.
Viele Menschen glauben, dass sie die Ursache ihrer Verletzung bekämpfen müssen. Doch im Falle emotionaler Verletzungen liegt diese in der Vergangenheit – und an der lässt sich nun mal leider nichts mehr ändern. Übersehen wird dabei, dass wir oft in der Gegenwart Dinge tun, die verhindern, dass der Schmerz von allein gehen kann. Ohne es zu wollen, halten wir an ihm fest, lassen ihn nicht los. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Grübeln („Was wäre gewesen, wenn ich …“ usw.). Grübeln verändert nichts, hält uns aber im Dunstkreis des Schmerzes fest. Vielleicht ist ja nicht (mehr) die emotionale Verletzung das größte Problem, sondern unser Umgang mit ihr und dass wir unaufhörlich um sie kreisen. Allerdings: Dieses Kreisen findet in der Gegenwart statt und lässt sich mit etwas Übung beenden.
4. Was bräuchte ich (wirklich)? Was hätte ich gebraucht?
Emotionale Verletzungen ähneln manchmal Trauerreaktionen nach Verlusten. Nicht immer ist es leicht, beide auseinanderzuhalten. Was für das Vorliegen einer emotionalen Verletzung spricht, ist eine Verletzung unserer Grundbedürfnisse durch jemanden oder eine Situation. Grundbedürfnisse von Menschen sind beispielsweise: Sicherheit, Selbstständigkeit und Selbstbestimmung, Anerkennung und Akzeptanz durch andere, Geborgenheit, Liebe, Aufmerksamkeit, Spiel, Spaß, Spontaneität, Unversehrtheit unserer persönlichen Grenzen, ein Verbundenheits- und Zugehörigkeitsgefühl mit anderen Menschen u.v.m. Emotionale Verletzungen frustrieren oft ein oder mehrere Grundbedürfnisse. Deshalb tun sie so weh.
Welche Grundbedürfnisse wurden bei dir verletzt? Viele Partner von Narzissten fühlen sich beispielsweise stark kontrolliert und bevormundet. Ihr Bedürfnis nach Selbstbestimmung wird frustriert. Oft auch jenes nach Unbeschwertheit (Spiel, Spaß, Leichtigkeit) und Unversehrtheit ihrer persönlichen Grenzen (bei übergriffigen Partnern).
Die Heilung von emotionalen Verletzungen erfordert an dieser Stelle ein zweistufiges Vorgehen. Zum einen gilt es akzeptieren zu lernen, dass die Frustration von Bedürfnissen unangenehme, schmerzliche Gefühle verursacht und diese vor dem Hintergrund unserer Lebensgeschichte völlig verständlich und okay sind. Zum anderen solltest du dich langsam, Schritt für Schritt, auf die Suche nach Möglichkeiten begeben, diese Bedürfnisse nachträglich, im Hier und Jetzt, zu befriedigen. Das ist langfristig wesentlich effektiver, als allein der Zeit, dem Vergessen und Verdrängen zu vertrauen. Auch Ablenkung von emotionalen Verletzungen ist kurzfristig wirkungsvoll, heilt aber langfristig nichts, weil sie dem eigentlichen Problem aus dem Weg geht und dann die Gefahr besteht, dass das „innere Monster“ immer wieder zurückkehrt.