Wer seine Jugendliebe heiratet, ist verrückt

Warum dieser Schritt (fast) immer eine Schnapsidee ist

Die These im Titel ist provokant? Stimmt. Aber nicht weniger wahr, zumindest, wenn man die Sache mal ganz objektiv und aus einer gewissen Entfernung betrachtet. Einige Jahre ist es her, seit die Schule einen ausspuckte und in ein neues Leben voller Abenteuer und Möglichkeiten entließ. Hinter einem lag eine Zeit der Orientierungslosigkeit, des Begreifens und Verrennens, der hormonellen Hochs und Tiefs und eine Menge Blödsinn. Das erste Bier im Partykeller, rauchen auf der Schultoilette, peinliche Theaterrollen, vor Kitsch triefende Tagebucheinträge oder Ärger mit den Eltern, weil man wieder später als vereinbart nach Hause kam, ohne wenigstens Bescheid zu sagen.

Natürlich, nicht jeder hat all das durchlebt. Dennoch kann wohl niemand behaupten, in der Schulzeit immer unbedingt Herr seiner Sinne gewesen zu sein – und vieles würde man heute anders machen. Wenn diese Annahme also zutrifft: Warum sollte man sich auf Lebenszeit an einen Menschen binden, für den man sich vor Ewigkeiten in einem Zustand geistiger Umnachtung entschieden hat?

Leben heißt Veränderung

Seit dem Schulabschluss ist ja nun wirklich eine Menge passiert im eigenen kleinen Kosmos. Man hat das familiäre Nest verlassen, eine Ausbildung begonnen oder studiert und ist dabei vielleicht quer durch die Republik oder möglicherweise noch weiter weggezogen. Bei richtig großen Gefühlen, identischen Interessen, deckungsgleichen Berufsplänen und einer gemeinsamen Vorliebe für bestimmte Städte hat man die Jugendliebe einfach mitgenommen. Sich zusammen ins nächste Level gewagt, aufs Arbeitsleben vorbereitet, die Mittagspause, den Freundeskreis, alle Tage, die Nächte und ach, warum nicht auch gleich die Wohnung geteilt. Ja, eine romantische Vorstellung – doch ziemlich überraschend, sollte es so je wirklich funktioniert haben. Denn:

Jeder geht seinen eigenen Weg

Die Durchschnittsrealität sieht anders aus. Klar, wer nach der Schule zusammenbleibt, den kann durchaus eine Menge verbinden. Im Normalfall sind Paare aber keine genetischen Zwillinge, weshalb jeder seine Zukunft erstmal nach dem eigenen Kopf gestaltet. Er bleibt in der Heimatstadt, zwischendurch ins Ausland, dann wieder zurück. Sie studiert 600 Kilometer entfernt, kommt an langen Wochenenden, auch er besucht sie mal. Und trotz Telefon und Internet und Dokumentation in Bild und Ton: Jeder nimmt das nächste Level für sich. Strebt seinem eigenen Beruf entgegen, erweitert den Freundeskreis, macht mit neuen Menschen Mittag, verbringt mit ihnen schöne Tage, lange Nächte und wohnt in WGs. Unabhängig vom Partner – der das gleiche tut, nur anders.

Worauf es wirklich ankommt

Jeder Aspekt für sich und die Kombination aus ihnen allen prägt und verändert einen Menschen in den Zwanzigern. Auch wenn man es schon als Teenie annahm: Erst jetzt ist man in der Regel fähig, sich selbst einzuschätzen, eigene Bedürfnisse zu akzeptieren und die Steine für den weiteren Lebensweg in Mustern anzuordnen, die einem wirklich gefallen. Und zwischen all diesen kleinen Selbstfindungsetappen trifft man im Normalfall auch irgendwann auf eine ganz bestimmte Person, die das bisherige Beziehungskonstrukt ins Wanken bringt. Jemand, den man nicht nur als Partner in Betracht zieht, weil er zufällig die richtige Frisur hat, donnerstags immer im Jugendclub rumhängt oder in Mathe neben einem sitzt. Sondern weil er das gleiche Wertesystem vertritt, bestimmte Leidenschaften teilt und sich seine Vorstellung vom Erwachsenenleben mit der eigenen deckt.

Festhalten oder loslassen?

So erledigen sich die meisten Beziehungen aus Jugendtagen bald nach dem Schulabschluss von selbst. Warum einige dennoch bestehen bleiben? Dafür gibt es eigentlich nur zwei Gründe: Der häufigere lautet Gewohnheit. Der Mensch ist bequem und hat er sich einmal auf jemanden eingestellt – warum eine Überraschungskiste öffnen, die am Ende nichts als heiße Luft enthält? Dann doch lieber dort bleiben, wo man weiß, woran man ist. Wo keine Schwachstelle mehr verborgen, keine Macke versteckt werden muss. Der langjährige Partner kennt schließlich auch die Kapitel der eigenen Geschichte, die man heute lieber keinem auf die Nase bindet. Im Grunde nachvollziehbare Motive, die als alleiniges Beziehungsfundament aber keine glückliche Perspektive bieten.

Oder aber der seltenere, aber weitaus schönere Grund: Es passt einfach. Vielleicht sieht man beim Blick in den Rückspiegel nicht den gleichen Lebenslauf, ist dafür an den individuellen Erfahrungen der vergangenen Jahre aber parallel gewachsen. Und zwar in die gleiche Richtung. In diesem Fall sollte man seine Schulliebe natürlich unbedingt heiraten. Und diesen Text als Glückwunsch verstehen.


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