Was macht Attraktivität für Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung aus?

Beziehungsweise-Autorin Nina Ponath hat mit dem Youtuber, TikToker und Influencer Erdin aka Mr. Blindlife gesprochen und ihn gefragt, welche Rolle Attraktivität für ihn spielt.

Bei mir ist es nicht Liebe auf den ersten Blick, sondern Liebe auf den ersten Laut

“Ich habe meine Freundinnen immer auf einem ganz normalen Weg kennengelernt. Meistens über Freunde, denn da kommt man einfach ins Gespräch und ich höre die Stimmen. Ein Kennenlernen auf der Straße ist für mich als Sehbehinderter nicht drin, weil ich keinen Blickkontakt halten kann. Kann gut sein, dass mich schon Frauen angelächelt haben und ich arrogant an ihnen vorbeigegangen bin, weil ich sie nicht gesehen habe. Da habe ich nicht sehbeeinträchtigten Menschen gegenüber einen Nachteil, denn man erkennt nicht sofort, dass ich nicht sehen kann.

Von anderen Sehbeeinträchtigten weiß ich, dass einige auch Tinder benutzen. Das habe ich aber noch nie probiert; ich weiß auch gar nicht, ob das überhaupt behindertenfreundlich und barrierefrei ist. Was ich früher allerdings genutzt habe, waren Chatprogramme am Computer als es noch keine Smartphones und WhatsApp gab. Weil bei mir alles über die Sprache und die Stimme geht, habe ich meine Chatpartnerinnen irgendwann nach Audiodateien gefragt. Das geht heute sehr viel leichter dank den vielen Smartphone-Apps.

Die Stimme meines Gegenübers ist für mich Ausschlusskriterium und bestimmt mein erstes Urteil. Abgesehen davon finde ich natürlich auch noch andere Dinge attraktiv.

Ob sie „blond“ oder „brünett“ ist, ist mir egal – das sehe ich ja nicht und habe davon auch keine Vorstellung. Von dem Körperbau meiner Partnerin habe ich dagegen schon Vorstellungen, das fühle ich ja. Ich mag sportliche Frauen und der Charakter ist mir extrem wichtig. Den erkenne ich über die Kommunikation. Toll ist es, wenn wir Gemeinsamkeiten haben und wenn wir für dieselben Dinge brennen. Dann können wir später eine Menge zusammen unternehmen. Es gibt da auch kaum Grenzen: als Sehbeeinträchtigter kann ich inzwischen fast alles, vom Blindentennis bis zum Blindenschach. Wobei ich mein Hobby – Kampfsport – bisher immer allein gemacht habe. Manche Dinge muss man ja auch nicht mit der Partnerin machen.”


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