Was Sie beschreiben, nenne ich eine „Disneyfizierung der Liebe“. Drehbücher und auch Romane beschreiben Konflikte und dramatisch aufgepeppt die Erfüllung der Sehnsucht. Das Ankommen, die stille Nähe, die Bindung – all das, was Liebe ausmacht – ist für einen Blockbuster oder einen Bestseller einfach zu langweilig.
Für mich sind nicht Botenstoffe im Gehirn entscheidend, sondern der Wille. Ich bin idealistisch, ich begreife den Menschen als frei, er kann über sich und für sich entscheiden, und er hat sogar in den Stürmen der Leidenschaft die Möglichkeit, seinen Verstand einzusetzen. „Sapere Aude“ („Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“), dieses lateinische Sprichwort machte 1784 Kant zum Leitspruch der Aufklärung. Das Motto kann auch für Liebende gelten, es kann so etwas geben wie eine Aufklärung der Seele – wenn man das will, weil man glücklich sein will. Das Interessante ist, dass Liebende das oft ganz bewusst nicht wollen. Ich habe schon etliche Menschen beraten, die regelrecht aggressiv geworden sind, wenn man ihnen mit Denken als Heilmittel gegen Liebeskummer gekommen ist. Mir schien, sie wollten im „Mustopf“ ihrer Gefühle herumwuseln wie eine Fliege im Marmeladenglas. Klar, wenn ich im Kino oder in den Medien ständig damit konfrontiert werde, dass Liebe mit Romantik gleichbedeutend ist, halte ich die Ratio für den Feind der Liebe. Dabei hat die Liebe eine eigene Vernunft, eine frische und köstliche, kein Trockenfutter. Mit ihr im Gepäck kommt eine Auflösung des unseligen Paars Liebe/Leid in Sicht. Da wollen wir doch alle hin – oder? Wie wäre es, wenn Liebe vor allem Freude macht?