Ich bin die Richtige für ihn
Diese Frage kann jeder sowieso nur ganz persönlich beantworten und auch die persönlichen Antworten klingen für Außenstehende in einer solchen Situation wie ein Wolkengebilde aus Illusionen und Selbstbetrug. Und doch kann ich einfach nur sagen: Ich wusste es eben. Ich wusste bei der ersten Begegnung, dass wir zusammengehören. Von Anfang an, schon in den ersten Wochen, in denen es vor allem um sexuelle Leidenschaft ging, konnte ich mir uns als „altes Ehepaar“ vorstellen. Da war eine Seelenverwandtschaft, ein tiefes gegenseitiges Verständnis für all die Dinge, an denen jeder von uns im Leben und der Welt litt, auch ein Verständnis für die Schwächen des jeweils anderen. Und bei mir gehörte da das Wissen dazu: Er wird die Noch-Ehefrau verlassen und zu mir kommen. Ich bin die Richtige für ihn, die andere die falsche. Ich wusste aber auch, dass es Zeit brauchen wird.
Für meine Sicherheit in all dieser Zeit war eines entscheidend: dass ich mich so gut wie nie allein fühlte, auch wenn er nicht bei mir war. Er schloss mich nicht aus seinem anderen Leben aus. Ich erfuhr alles, fühlte Offenheit und Vertrauen.
Es gab auch Tiefpunkte
Zeit, Wünschen und Hoffen können einen zermürben. Und die Besorgnis der Freunde sowie die immer wieder gehörten Sätze („Sowas geht nie gut aus“, „Die Geliebte verliert doch immer“) höhlen einen so aus wie ein steter Wassertropfen den Fels. Und so schlich sich auch bei mir nach ein paar Jahren der Zweifel ein. Ich zweifelte nicht, dass er uns wollte, ich zweifelte nicht an seiner Liebe zu mir, aber ich fing an zu zweifeln, ob er die Kraft haben würde, das Leben seiner Familie, vor allem das Leben seines Kindes, umzuwenden.
An diesem Tiefpunkt stellte ich ein zeitliches Ultimatum. Aber nicht an ihn, sondern an mich, ganz im Geheimen. Ich würde noch bis zu einem bestimmten Punkt warten und wenn es dann nicht gelungen war, würde ich ihn gehen lassen müssen. Um uns beide von der Situation zu befreien. An diesem Tiefpunkt zahlte sich das Vertrauen aus, denn, vielleicht auch weil er spürte, dass er nun in sich die Stärke finden musste, fiel bei ihm die Entscheidung. Ganz unbewusst. Als ich anfing, ihm zu entgleiten, nicht weil ich es wollte, sondern weil ich nicht mehr anders konnte, da passierte es: Er fand seine Kraft, er änderte sein Leben.
Ich hatte fünf Jahre gewartet. Hat es sich gelohnt? Nun ja: Zwei Jahre nach dem Umsturz unserer Leben heirateten wir. All die frühen Höhen und Tiefen haben uns dankbar gemacht für jeden Tag, den wir jetzt miteinander verbringen dürfen. Wir haben eine extreme innerliche Nähe geschaffen, die uns auch jetzt hilft, wenn schwierige Zeiten anstehen. Wir haben lange füreinander gekämpft, uns in vielen Situationen immer wieder bewusst füreinander entschieden. Jetzt genießen wir einfach die Zeit!