Verzeih mir, ich war einfach noch nicht reif für dich

Ich habe neulich ein Ikea-Sofa entsorgt, das ich noch aus Studententagen besaß. Auf dem wir beide in all den Jahren bestimmt hundert Mal Liebe gemacht haben. In einer der Ritzen zwischen den Polstern glitzerte etwas, und als ich mich vorbeugte, sah ich, dass es ein langes blondes Haar von dir war. Kennst du das, Verflossene, diese Momente, in denen schlagartig der Schmerz in einem aufsteigt, weil man eine Erkenntnis gewonnen hat, die sich nicht mehr nutzen lässt, weil Zeit vergangen und Dinge kaputtgegangen sind? Zu spät klug geworden, zu spät die Lektionen des Lebens gelernt. Und selbst Reue ändert einfach gar nichts mehr. Für mich gibt es kaum etwas Schlimmeres als die Trauer um verflossene Zeit und ein falsch gelebtes Leben.

Die Erkenntnis kommt zu spät

Ich glaube, ich bin heute ein anderer Mensch. Ich hoffe das. Vor dem Sofa stehend, dein blondes Haar zwischen Zeigefinger und Daumen meiner rechten Hand, kam mir dieser schrecklich wehmütige Gedanke: Hätten wir uns doch bloß heute kennengelernt, wer weiß, wir hätten eine glückliche Beziehung geführt, vielleicht bis zum Ende unserer Tage. Wir hätten Kinder bekommen, ein Häuschen am Stadtrand gekauft, uns geliebt und wären zusammen alt geworden. Heute fühle ich mich reif dafür. Aber damals fehlte mir diese Reife, den wunderbaren Menschen gänzlich zu lieben, der da an meiner Seite durch das Leben ging. Ich war ein Idiot. Aber diese Erkenntnis kommt zu spät. Verzeih mir bitte, Verflossene, für all das mögliche Glück, das ich dir und uns vorenthalten habe.

Nie mehr Dein

L.


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