Unsere Ego-Emissionen verpesten die Liebe

Der Egoismus hat seinen Preis

Meine These lautet: Egoismus und Selbstdarstellung, wie hier beschrieben, tun der Liebe weh, und zwar so richtig doll weh. Wenn man das perfekte Leben leben möchte, stets die perfekte Gestalt abgeben und sich einen Partner angeln, der das alles mitmacht und selber auch noch perfekt ist – wie will man dann jemals entspannen und sich wirklich auf die Beziehung einlassen, die man gerade führt? Wie will man dann mit Schicksalsschlägen umgehen, Fehlertoleranz aufbauen, eine konstruktive Beziehungs- und Kommunikationskultur entwickeln, in der man zusammen an der Beziehung „arbeitet“ – aus Liebe, miteinander, füreinander, und nicht, um ein Denkmal zu errichten oder ein vermeintliches Meisterwerk zu schaffen?

Endlich ist sie weg …

Leider, so scheint mir, wenn ich mich im Bekanntenkreis umschaue, wird Liebe heutzutage häufig weggeschmissen. Einweg-Liebe. Aufwand betreiben, kämpfen, kommunizieren, Probleme lösen – das alles ist nicht mehr en vogue. Zumindest nicht mehr so richtig. Denn: Nachschub kommt schon irgendwie. Und sonst ist das Singlesein ja auch ganz schön. Sehr schön sogar. Mehr Zeit für MICH. Keine Kompromisse, keine Gefahr von Imperfektion aus dem Außen. Meine letzte Freundin/mein letzter Freund hatte doch sowieso eine Macke. War meiner nicht wert. Hatte mich nicht verdient. Auch wenn es eigentlich ganz gut lief. Hm, aber irgendwie … langweilig, mittelmäßig, sub-optimal. Endlich ist sie/er weg.

Den Egoistinnen und Egoisten sei gesagt: Eine Beziehung zu haben heißt, Wertigkeit nicht nur im eigenen Inneren zu suchen und/oder zu sehen, sondern auch im Anderen. Beziehungen sind keine Show, sondern gemeinsamer Wille. Dazu gehört auch Beziehungsarbeit. Das klingt anstrengender, als es gemeint ist. Beziehungsarbeit macht nämlich unheimlich viel Spaß und ist unheimlich befriedigend. Gefühlsausdruck, das Eingehen von Risiken und die Erfahrung des Gelingens, Vertrauen, Nähe, das lebenslange Kennenlernen des Anderen, gemeinsames Aufblühen und das Aufbauen von etwas wirklich Großem: Das macht jeden unausweichlichen Streit, jede Feinjustierung, jede Anstrengung lohnenswert. Wenn Partner aber die ganze Zeit Egoismus „ausstrahlen“, leidet die Liebe darunter, werden diese schönen Dinge zur Utopie. Modern gesprochen: Die eigene Beziehung wird dann ironischerweise zum ultimativen Prank. Und im schlimmsten Fall lachen die anderen bereits, bevor sich die beiden „Fixsterne“ endgültig, auf nimmer Wiedersehen, voneinander fortbewegen. Oder von einem schwarzen Loch geschluckt werden. Und fort ist das Meisterwerk, das man erschaffen zu haben glaubte.


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