Ungeliebte Kinder werden Erwachsene, die nicht lieben

Auch nach sieben Jahre Internat, als ich dann bei meinem Vater eine Zeitlang lebte, versuchte er nie, die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen und um Verständnis zu bitten. Wir sind uns bis heute fremd geblieben und ich habe erst vor kurzem versucht, eine Art Dialog – ohne große Erwartungen – wieder aufzunehmen.

Einige Verletzungen begleiten uns bis zum hohen Alter, auch wenn man sein Leben meistert und sich externe Hilfe holt.

Wie soll der potentielle Partner damit umgehen und ist nicht jeder irgendwann damit überfordert?

Im Nachhinein hätte ich sicher einiges in meinen Partnerschaften anders gemacht. Ich war Weltmeister im Konflikte vermeiden: nie ein lautes Wort, nie einen Wutausbruch. Ich war unfähig, konstruktiv zu streiten, weil es immer bequemer war, die Tür leise zu schließen, sich zurückzuziehen und sich auf das Ende der gemeinsamen Reise vorzubereiten. Koffer packen, das konnte ich immer sehr gut. Ich zog weiter wie ein Heimatloser, um einen neuen Hafen zu finden, bis die ersten dunklen Wolken sich wieder ankündigten …

Wie sind Sie mit geliebten Menschen umgegangen, die Ihnen gegenüber standen und nur noch schweigen konnten? Haben Sie das Gefühl, dass Sie immer die Flucht ergreifen müssen, wenn Sie sich eingeengt fühlen? Wütend werden bedeutet, dass Gefühle vorhanden sind, egal ob sie einem in dem Moment nur negativ erscheinen. Wir sollten sie nicht unterdrücken. Sicher wäre es zu einfach, nur der Kindheit die Schuld am Scheitern einer Beziehung zu geben, aber es lohnt sich auf jeden Fall, darüber nachzudenken: um – wenn möglich – das nächste Mal aus diesem Muster ausbrechen zu können. Mir wurde erst nach vielen Jahren bewusst, dass ich etwas in meinem Verhalten ändern musste, auch wenn es bedeutete, mich in Frage zu stellen, mir meine Fehler einzugestehen, Schmerz und Kritik zu ertragen. Das Schwierigste und Wichtigste ist für mich, zu versuchen, meine Wahrnehmung zu ändern, also die Äußerungen und Ansichten meiner Partnerin nicht als Kränkung zu deuten, sondern ihr diesen Freiraum zu gönnen und etwas davon anzunehmen.

Falls eines Tages der Leidensdruck zu stark wird, dann ist es kein persönliches Versagen, sondern ein mutiger Schritt, die Verletzungen der Kindheit in einer professionellen Psychotherapie aufzuarbeiten. Dieser Weg fordert viel Kraft und Ausdauer, aber er macht Sinn und er kann im besten Fall helfen, sich glücklicher zu fühlen, allein oder zu zweit. Damit werden nicht alle Probleme gelöst, aber zumindest hat man die Chance, über viele Themen zu reflektieren und sie anzugehen, bevor es zu spät ist. Bevor sich das innere Kind verloren, hilflos und unverstanden fühlt.


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