Sandra hing an ihm. Sandra hatte sich ihm hingegeben, ohne Netz und doppelten Boden. Sie würde tief fallen. Und das wusste Michael seit Wochen, und das wusste nun auch ich, da wir im Halbdunkel seines Wohnzimmers saßen. Draußen war es Spätabend und schließlich Nacht geworden und wir waren vom Bier zu Leitungswasser übergegangen, wie in einem stillschweigenden Konsens, dass Betäubung allzu feige gewesen wäre.
Dann, irgendwann, sagte er: „Ich habe Angst.“ Und später: „Ich verachte mich.“
Wir sahen unsere Gesichter leicht verzerrt im Fenster gespiegelt. Zwei junge Männer auf einer Couch, irgendwo in einer Großstadt mit Millionen Nachtlichtern, in einem Sommer, der keiner war. Und dann weinte Michael; und er weinte lange.
Das Deckenlicht schmerzte in unseren Augen, als wir es schließlich anknipsten, irgendwann um drei oder vier. Er zahlte seinen Preis. Es war richtig so, menschlich, wenn schon das, was passieren würde, so schrecklich war. Etwas, das nicht passieren soll und doch manchmal passieren muss. Oder einfach passiert.
Gegen halb sechs machte ich mich auf den Weg. Irgendwo im Straßendschungel hatte schon ein Bäcker geöffnet und ich aß etwas, trank einen Kaffee. Mir war speiübel nach dieser Nacht. Michael tat mir leid. Sandra tat mir leid. Und doch war es, wie es war. Ein paar Stunden noch und nichts würde mehr so sein, wie es einmal gewesen ist.