Zwischen Sehnsucht und Vermissen besteht ein Unterschied, sagt Jana Seelig. In ihrer heutigen Gastkolumne verrät sie ihn
Es ist 2:54 Uhr in einer Mittwochnacht, als mich eine iMessage meines Exfreunds erreicht. Ich erkenne sie bereits am Ton. Wann immer er schreibt, ertönt »Soothe me« von den Beatsteaks und ich habe den Klingelton nie geändert, obwohl wir seit einem Jahr nicht mehr zusammen sind. Ich habe einfach nicht daran gedacht, um ehrlich zu sein, und den Song seit unserer Trennung auch nie wieder gehört, weil der Kontakt zwischen uns komplett abbrach.
Jetzt surrt mein Handy das erste Mal seit sehr, sehr langer Zeit diese, seine Melodie vor sich hin. Arnim Teutoburg-Weiß singt »What I never dare to say, I’m pretty sure you know it anyway.« Ich greife nach dem Handy und drücke den Ton weg, bevor er bei „Soothe me“ angekommen ist, weil diese Stelle, diese eine bescheuerte Stelle, so ein verdammter Trigger ist, der mich glauben lässt, meinen Exfreund immer noch zu lieben.
Ich überlege, mit dem Lesen seiner Nachricht bis zum nächsten Morgen zu warten, weil ich eigentlich echt schlafen will und keine Lust auf Drama habe, entscheide mich aber doch dagegen. Solange ich nicht weiß, was er mir zu sagen hat, bekomme ich eh kein Auge zu.
Im besten Fall ist es eine SMS, die er nur versehentlich an mich geschickt hat, weil er im Suff meinen Namen nicht von dem seines besten Freundes auseinanderhalten konnte. Im schlimmsten Fall will er mir verkünden, dass er in Kürze Vater wird, weil er kurz nach mir ein Mädchen kennenlernte, das im Gegensatz zu mir perfekt ist.
Mit zittrigen Fingern öffne ich die Nachricht. »Ich vermisse dich« steht da, sonst nichts, nicht mal ein Punkt. Vermissen ist ein Arschloch. Ich weiß das, weil ich auch ziemlich oft vermisse. Manchmal ist das schön. Also immer dann, wenn man weiß, dass das, was man vermisst, auch wiederkommt. Die meiste Zeit ist es aber einfach nur ätzend, weil man eben das Gefühl hat, dass etwas fehlt. Ein essenzieller Teil ist weg, und das manchmal eben auch für immer.