Schluss mit der Angst

Wir leben in einer Zeit, in der Liebesbeziehungen das wichtigste Ziel im Leben vieler Menschen geworden ist. Vor 200 Jahren galt Liebe als das größte Sicherheitsrisiko einer Ehe. Heute soll uns ausgerechnet Liebe Sicherheit geben: vor Veränderungen und vor Verletzungen. Die glückliche Beziehung und die romantische Liebe sind Eins geworden. Dabei waren das Jahrtausende lang ganz unterschiedliche Dinge. Bis zum 16. Jahrhundert gab es im Deutschen kein Wort für Eifersucht.

Der perfekte Partner muss ein Alleskönner sein

Niemals zuvor waren die Ansprüche an Partner so hoch wie heute. Wofür früher ein ganzes Dorf zuständig war, muss heute ein einziger Mensch erfüllen. Freundschaft, Liebe, Leidenschaft – ein Leben lang. Es ist kein Wunder, dass diese Entscheidung so schwerfällt. Und es ist ebenso verständlich, wie schmerzhaft jede Zurückweisung geworden ist. Jedes Beziehungsaus bedeutet, dass wir uns falsch entschieden haben, gescheitert sind. Jedes missratene Date sagt, dass wir schlecht gewählt haben, gescheitert sind. Jeder Abbruch einer Dating-Phase nach drei Monaten stellt klar, dass wir aufs falsche Pferd gesetzt haben, gescheitert sind. Und jedes Scheitern verletzt unser Selbstwertgefühl und verstärkt unsere Schutzstrategien, die wir einsetzen, um die Verletzung nicht erneut erfahren zu müssen. Je höher die Erwartung, umso tiefer der Fall, wenn diese nicht erfüllt werden.

Liebe benötigt – nicht nur, aber vor allem – zwei Dinge: Mut und Vertrauen. Dies sind auch die beiden bewährten Gegenmittel gegen Bindungsstörungen wie extreme Verlustangst und Bindungsangst. Denn solange man in Angst verharrt, wird sich nichts ändern. Und Veränderung kommt immer aus einem selbst heraus. Andere Menschen werden sich nur für sich selbst, aber nicht für uns verändern. Das bedeutet aber auch: die Verantwortung für die Veränderung liegt nur in uns. Natürlich kann man sein Leben lang Nähe und Bindung vermeiden, um auf gar keinen Fall erneut verletzt zu werden. Aber ist das ein erfülltes Leben?

Mutig zu sein, bedeutet aber, Rückschläge in Kauf zu nehmen. Um dies zu wagen, kann ein Weg sein, Scheitern nicht mehr zu verdammen, sondern als Chance zu erleben für eine Veränderung zum Besseren. Liebe kann heilen, aber die Liebe zu einem anderen Menschen kann uns keine Sicherheit geben. Sicherheit finden wir nur in uns selbst. Die Liebe zu uns selbst stärkt unseren Selbstwert. Sie macht uns aus – wenn wir es zulassen können, dass eben nicht nur die Angst uns steuert. Dann können wir frei von Verlust- oder Bindungsangst Liebe schenken und empfangen.


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