Forever Love. Unsere Gastautorin Kirsten Schwieger will auf romantische Rituale nicht verzichten. Ein Plädoyer
Ist das zu fassen, Paris, die Stadt der Liebe, verbannt die berühmten Liebesschlösser von ihren Brücken! „Wir werden Millionen von Schlössern entfernen, rund 45 Tonnen“, verkündete der stellvertretende Bürgermeister Bruno Julliard jüngst. Monsieur Julliard, haben Sie denn kein Herz für Liebende und was sagt Madame Julliard überhaupt zu dieser Aktion? Angeblich sind die Schlösser, die Millionen Menschen aus aller Welt an Pariser Brücken gehängt haben, eine „Verschandelung des Kulturgutes“ und ein Sicherheitsrisiko dazu. Insbesondere an das Geländer der Fußgängerbrücke „Ponts des Arts“ am Louvre, deren Blick über die Stadt als besonders romantisch gilt, haben unzählige Liebende Metallschlösser mit ihren Namen gehängt und die Schlüssel anschließend in die Seine geworfen. Als Symbol ewiger Liebe.
Millionen Liebessymbole werden zu 45 Tonnen Altmetall
Und das wird jetzt den Bürokraten zur Last? So sehr, dass diese sogar riskieren, Paris den Ruf als Hauptstadt der Liebe und Romantik zu ruinieren? Hierbei bekommen sie sogar Rückendeckung und Unterstützung, unter anderem von zwei in Paris lebenden New Yorkerinnen, die sogar eine Petition gegen die Liebesschlösser gestartet haben. Was ist das? Verzweifelte Polemik von der Liebe Desillusionierter oder gar der subversive Versuch, eine neue Hauptstadt der Liebe jenseits des Atlantiks zu etablieren?
Liebe braucht Symbole
Und Liebende brauchen Rituale, die sie als Paar verbinden und die ihnen eine gemeinsame Geschichte schaffen. Liebesrituale können den Zauber der Verliebtheit konservieren, das Wir-Gefühl stärken und auf diese Weise sogar einen Schutzwall in Krisenzeiten darstellen. Davon, und von Liebe generell, kann man in dieser Welt doch nie genug haben, oder? Warum die Menschen ausbremsen, so lange diese die Welt noch durch eine rosa Brille sehen? Und ihrem Partner ihre Zuneigung mit vielen kleinen Gesten und Taten vermitteln. Wo diese großen Gefühle doch oftmals sowieso viel zu schnell vom grauen Alltag eingeholt werden. Denn nur wenige Paare schaffen es, ihre Verliebtheit über die Jahre zu retten beziehungsweise ihrer Liebe regelmäßig Ausdruck zu verleihen. Um dann als heillose Romantiker verunglimpft zu werden.
Dabei ist eine große Kunst, mit romantischen Ritualen die Liebe zu erhalten. Mehr noch: Es lebe die Romantik! Es leben in den Sand gemuschelte Unendlichkeitszeichen, Verlobungsringe aus Coladosen-Verschlüssen, WhatsApp Nachrichten mit herzförmigen Wolken und Äpfeln oder Heiratsanträge via Youtube. Sagen Sie Ja zu heimlich-peinlichen Kosenamen, nähen Sie ihm ungefragt sein urzeitliches BVB-Trikot, initiieren Sie einen Dia-Abend mit alten Urlaubsfotos – nur Sie beide und ganz viele Liebeslollis.
Gut, im Fall der Liebesschlösser könnte man argumentieren, dass diese Nachahmungstaten nicht gerade die originellsten Rituale waren. Doch hat gerade dieses Massenphänomen etwas Neues geschaffen, quasi einen weltweiten Kult der Liebe. Dieser wird nun demontiert. Liebende auf der ganzen Welt müssen wieder neue Rituale kreieren. Aber Liebe ist auch Veränderung und Wachstum. Nur Romantik ist für die Ewigkeit.