Offener Brief an meinen besten Freund. Der eine andere heiratet

Können Männer und Frauen beste Freunde sein? Aber ja! Selbst wenn sie ihn an eine andere verliert. Der Beweis ist dieser anrührende Brief

Mein lieber M.,
wer hätte das gedacht, vor fast 10 Jahren? Dass du derjenige bist, der zuerst heiratet. Der überhaupt heiratet! Ich freue mich für dich. Ehrlich. Aber als ich heute mit dir unterwegs war, um einen Anzug für den großen Tag zu kaufen, da hätte ich heulen können.
Es hat mich kalt erwischt. Plötzlich dachte ich: Ab Samstag ist alles vorbei. Ich werde dich verlieren. Machen wir uns nichts vor – es wird nie wieder sein wie es war, wenn du erstmal verheiratet bist! Du wirst Kinder bekommen, Karriere machen, plötzlich anfangen Joggen zu gehen und am Ende sehen wir uns noch zweimal im Jahr. Und irgendwo, ganz tief in mir drin dachte ich auch: Wieso bin eigentlich nicht ich diejenige, die deine Frau wird?
Herrje, es ist wie in einem dieser kitschigen Hollywood-Streifen. Nur, dass sie sich da am Ende immer bekommen. Du bist einer der wenigen Männer, die solche Filme gerne gucken. Da könnten sich Männer benehmen wie er letzte Horst und bekämen am Ende trotzdem immer die coolste Frau, hast du mal gesagt. Das sei so beruhigend. Außerdem könne man von solchen Filmen wunderbar lernen, wie Frauen ticken. Jedenfalls die romantischen. Und für den Rest hättest du mich.
War was?“ – „Ne. War nix.“
 Ist ja nicht so, als hätte es keine anderen gegeben in all der Zeit. Aber irgendwie war immer klar: Die kommen und die gehen wieder. Du hast dich lustig gemacht über meinen Männergeschmack. (Immer so Freds vom anderen Stern.) Und ich mich gewundert, was für Frauen Du manchmal im Schlepptau hattest. (Ich sag nur: „Supi!“) Richtig darüber gesprochen haben wir nie. Die anderen waren nicht wichtig.
Du bist der wunderbarste Mann, den ich kenne. Was wahrscheinlich daran liegt, dass du der einzige Mann bist, der einfach so tut als wär nichts, wenn ich schlechte Laune habe. Der mitten in der Nacht noch ans Telefon geht und sich geduldig meine verheulten Weltschmerz-Arien anhört. (Auch wenn du schon das ein oder andere Mal darüber eingeschlafen bist.) Und sehr wahrscheinlich bist du der einzige Mann auf Erden, der immer einen Tampon im Rucksack hat. Für in Not geratene Frauen. „Feuerzeug kann ja jeder!“, sagst du.
Über die Nacht, in der wir fast miteinander geschlafen hätten, haben wir nie wieder ein Wort verloren. „War was?“, hast du mich am nächsten Morgen gefragt. „Ne. War nix.“, habe ich geantwortet. Ich konnte deinen Blick nicht deuten, als du nachgefragt hast. Wenn aus uns jemals ein Paar – ein Liebespaar – hätte werden können, dann am Morgen nach dieser sehr speziellen Nacht. Dies ist das erste und letzte Mal, dass ich das jemals erwähnen werde. Ich schwöre.
P. ist eine tolle Frau. Ich bin froh, dass sie es ist, die deine Frau wird. Auch das klingt wie aus so einer Schmonzette. Ja, da kann man viel lernen. Natürlich bin ich eifersüchtig. Und sie ist es auch. Das haben wir schon geklärt. Und das kriegen wir hin. Schließlich gehören wir ja zu den coolen Frauen (siehe oben!). Trotzdem hat es mich verletzt, dass ihr schon fast ein Jahr eine Beziehung mit Zukunftsplänen hattet bevor du meintest: „Ich muss dir was sagen…“ Du wolltest warten bis auch ich mal wieder jemanden kennen gelernt hätte. Eben um mich nicht zu verletzten. Wenn T. nicht aufgetaucht wäre, wüsste ich der Logik folgend wahrscheinlich noch nichtmal, dass du überhaupt heiratest!
Ach, mein lieber, bester Freund. Ich weiß ja, dass du immer mein Freund bleiben wirst. Ich fürchte mich einfach nur vor der neuen Zeitrechnung, die am Samstag beginnt. Apropos neue Zeitrechnung: Nur wegen dir kenne ich die Namen aller Trainer der Fußball-Bundesliga und habe nächtelang Autos beim Fahren im Kreis zugeguckt. Damit ist jetzt Schluß!
P. hat mir übrigens angeboten, dass dich ich auch weiter mitten in der Nacht anrufen darf.
Dann ist doch alles gut.
In freundschaftlicher Liebe,
C.

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