Ich habe in meinem Leben schon unzählige Texte zum Thema „sich melden“ geschrieben, zu den Arten und Unarten desselben. Auf welche Weisen Menschen sich melden oder eben nicht melden, obwohl man sie darum gebeten hat oder sie es versprochen haben. Zu den Formulierungen, die man in diesem Zusammenhang im Ohr hat und die einem manchmal schon aus den Ohren rauskommen, weil es sich oft um leere Worthülsen handelt, gehört „Ich ruf Dich an“ oder „ich melde mich“.
Da passiert dann gerne mal rein gar nichts, obwohl man vielleicht mit der Person, die das Anrufen oder das sich Melden in Aussicht gestellt hat, gerade ein Date hatte und/oder mit ihr oder ihm im Bett gewesen ist. „Ghosting“ nennt man das.
Eine weitere Aussage, die Menschen in den Sinn kommt und die sie mit flinken Fingern in ihr Handy tippen, wenn jemand aus ihrem Umfeld etwas Schreckliches erlebt hat, Todesfall, Krankheit, Trennung, plötzlicher Jobverlust, usw. ist: „Melde Dich, wenn Du was brauchst!“.
Das klingt zunächst einmal vielversprechend und tröstlich. Es naht ein Fels in der Brandung, man fühlt sich sofort weniger allein. Vielleicht verzieht sich sogar zumindest eine kleine dunkle Wolke am schwarzen Horizont. Immerhin, es kommt jemand auf einen zu, bietet Hilfe und Unterstützung an. Ein Ausblick, ein Licht.
Zu zweit lässt sich die größte Katastrophe leichter überstehen. Die Botschaft „Melde Dich, wenn Du was brauchst!“ zeigt, dass man auf ein liebevolles Du hoffen darf, das einen an die Hand nimmt. Schön wär`s. Die Hoffnung erweist sich zu oft als trügerisch.
Die fromme Botschaft ist meistens dahingesagt, Geschwätz
Ein erheblicher Teil der Leute, die diese Wendung von sich geben, würde sich wundern und wohl auch richtig genervt sein, wenn ihr Handy klingelt, und am anderen Ende ist der verzweifelte Mensch, der sich tatsächlich meldet, weil er etwas braucht.
Hier deutet sich die Fragwürdigkeit und die Unseriösität der frommen Botschaft an, nämlich, dass man sich insgeheim vorgestellt hat, dass der aufgelöste Mensch nie und nimmer auf einen zukommt.
Und das ist psychologisch gesehen eine angemessene Erwartung, denn man darf durchaus davon ausgehen, dass sich ein mit den Nerven fertiger Mensch eher nicht meldet. Man hat also seine Schuldigkeit damit getan, dass man so tut, als stünde man Gewehr bei Fuß.
Seien wir ehrlich: Wenn eine Person komplett neben der Spur ist und nicht mehr weiß, wie sie ihren Tag überstehen soll, wenn sie nichts mehr geregelt bekommt, weil sie ein traumatisches Ereignis aus dem Alltag gerissen und gelähmt hat, kann diese Person kaum wie die vorausschauende Sachbearbeiterin ihres Lebens agieren. Eine Liste erstellen mit allem, was sie braucht und dann ihre Bedürfnisse an den Mann oder die Frau bringen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser arme Mensch womöglich durch das Verfassen der Liste noch konfuser wird und vollends ausfällt, ist groß.
Taten sagen mehr als Worte
Das Einzige, was man in solch einem Moment braucht, ist, dass jemand ganz konkret fragt, was er tun kann und auch Beispiele nennt. Quasi von sich aus ein Hilfs-Angebot erstellt.
Nehmen wir an, jemand hat einen Hund, der Gassi geführt werden muss. Dann freut man sich, wenn einer sagt, ich mach das für Dich. Ich komme in einer Stunde vorbei und gehe mit dem Hund raus. Leg Du Dich mal hin, Du hast bestimmt schlecht geschlafen.
Auch gut und praktisch ist die Frage: Soll ich Anrufe für Dich tätigen, hast Du Termine, die ich für Dich absagen kann? Soll ich für Dich in die Apotheke gehen, welche Medikamente brauchst Du?
Es gibt auch andere Bereiche des Lebens, da muss man eigentlich gar nicht nachfragen, ob jemand etwas braucht, zum Beispiel Essen. Das kann man sich an fünf Fingern abzählen, dass jemand unter enormen Stress nicht daran denkt, zu essen, geschweige denn, einkaufen zu gehen.