Liebe interessiert Sie heute viel mehr. Auch wenn Sex und Liebe natürlich Überschneidungspunkte haben. Was hat sich geändert?
Meine heutige Auffassung: Sexualität ist ohne Liebe nicht zu denken, es sind die zwei Seiten einer Medaille. Diese Meinung ist auch das Resultat von zahllosen Geschichten, die ich seit 20 Jahren höre. Ganz selten berichten mir Menschen davon, dass sie „nur“ Sex hatten – und sie das erfüllt hat. Meistens wollen die Menschen „mehr“, das betrifft häufig Frauen, aber auch Männer. Ich kenne fast ausnahmslos Menschen, die uninspiriert aus kurzfristigen sexuellen Begegnungen gehen, dabei sollten diese ihre Lebensgeister mobilisieren. Eines möchte ich klarstellen: Ich plädiere nicht dafür, dass Sexualität ausschließlich in einer Beziehung stattfinden soll. Ich plädiere nicht einmal für sexuelle Exklusivität. Ich kann gut nachvollziehen, dass man mehrere Menschen lieben und begehren kann.
Also geht Sex ohne Liebe und umgekehrt?
Ich setze mich mit Nachdruck dafür ein, dass stets Liebe mit im Spiel ist, der Geist, die Seele, die ganze Person. Wie kann ich mich sonst mit jemandem vereinigen, wenn der Körper von mir abgespalten ist? Ich habe, was Liebe angeht, einfach ein ganzheitliches Konzept. Wenn ich davon spreche, dass Liebe im Spiel ist, meine ich hier eine Verbindlichkeit, eine Zugewandtheit, Wärme, Herzlichkeit. Sex ist nicht wie Händeschütteln. Wenn ich mit jemandem intim war, habe ich eine gewisse Verantwortung für diesen Menschen. Kennen Sie diesen Satz aus dem Kleinen Prinzen „Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast”? Das ist für mich die existentielle Liebesregel, die auch dann gilt, wenn die Sehnsucht nach Nähe mit „nur“ Sex befriedigt werden soll. Wann ist man vertrauter, als wenn man zusammen im Bett war? Das Verrückte ist, dass mit dieser verbindlichen Haltung der Sex am Ende mehr Freude bringt, als wenn man über ungewöhnliche sexuelle Fertigkeiten verfügt. Man muss für eine erfüllende Erotik nichts anderes können als lieben. Ich höre, wie ein Aufschrei durch die Nation geht, Hilfe, wie altmodisch. Das Gegenteil ist der Fall: Dieses vermeintliche Spießige könnte genau die Revolution der Liebe sein, die wir brauchen, damit Liebe und damit auch Sexualität glücklich macht.