Pflege zu Hause ist auch ein soziales und politisches Thema. Werden denn nach Ihren Recherchen und Erfahrungen Menschen, die ihre Partner pflegen, ausreichend von der Gesellschaft und der Politik unterstützt? Was kommt da auf uns zu? Müssten wir nicht alle in jungen Jahren erfahren und lernen, was im Alter auf uns zukommt?
Nein, die Menschen werden leider eher allein gelassen mit ihren Nöten. Es gibt Angebote von Seiten der Gesellschaft und der Politik, aber diese sind ein Tropfen auf dem heißen Stein. In der Hinsicht muss richtig viel passieren, das ganze Klima muss sich ändern. Wir brauchen insgesamt eine liebevollere Gesellschaft, eine Gesellschaft, die sich auf die Liebe beruft. Wer nur Leistung und Effizienz im Sinn hat, ist zu erbarmungslos, um die Pflicht zur Verantwortung für Schwache zu entwickeln, das geht nur mit Liebe. Da jeder früher oder später der Schwache oder die Schwache wird, lege ich den Menschen dringend ans Herz, ihre Einstellung zur Liebe zu überdenken, zu revidieren, sie herauszuhobeln aus dem wirtschaftlichen Denken.
Was haben Sie aus der Arbeit an diesem Buch für sich mitgenommen? War das auch eine Reise an die eigenen Grenzen? Wie oft fragten Sie sich: Was würde ich an dieser Stelle tun? Könnte ich das auch?
Das war in der Tat eine Reise an meine eigenen Grenzen. Ich habe mich oft gefragt, ob ich das auch kann, was die Menschen in meinem Buch können. Meine Antwort: Ich würde es auf alle Fälle versuchen. Der Grund: Ich möchte auch auf diese intensive Weise lieben, und ich wäre froh und dankbar, wenn mich jemand auf diese Weise liebt. Ich habe aus der Arbeit an dem Buch mitgenommen, welche Kraft in der Liebe steckt, in der Fähigkeit, zu lieben. Ich möchte Liebe in dieser Form erleben, das ist die Liebe, die mich interessiert, die Liebe, die ans Eingemachte geht. Manche vermuten, die Begegnungen mit all den Menschen und all den Krankheiten hat mich deprimiert. Im Gegenteil: Das Buch hat in mir ein Licht angezündet.
Sie haben lange Zeit vor allem über die Rolle von Sex und Erotik in Beziehungen geschrieben. Mein Eindruck ist: das ist nicht mehr Ihr großes Thema. Ist das richtig?
Ich interessiere mich für Liebe, seitdem ich denken kann. Mich fasziniert diese sagenhafte Verbindung von Glück und Liebe, auf die die Menschen setzen, für die sie zum Teil Kopf und Kragen riskieren. Als ich Journalistin wurde, hatte ich es, was die Liebe angeht, mit weniger abstrakten Themen zu tun, stattdessen mit handfesten. Zum Beispiel: Wie werde ich begehrenswerter, wie geht guter Sex? Das war damals die Zeit von „Sex and the City“, es war schwer im Trend, viel über Sex zu reden, es war nahezu ein Lifestyle-Thema. Es gehörte zur Selbstbestimmung einer coolen Frau, wie sie die Kolumnistin Carrie Bradshaw darstellte, offen über das zu berichten, was im Schlafzimmer geschieht. Das Ausplaudern von Intimitäten war nahezu ein emanzipatorischer Akt. Ich habe mich von dieser Welle mitreißen lassen, ich dachte auch eine Weile, dass das Ausleben und Aussprechen von Sexualität Freiheit bedeutet – und Glück. Dass sehe ich heute anders. Ich bin in puncto Liebe wieder auf die Philosophie zurückgekommen, auf das Abstrakte, und ich habe in einem zweiten Schritt allerdings die ernsten Themen der Liebe mit den handfesten verbunden. Das ist mein Alleinstellungsmerkmal als Liebesforscherin.