In unserer Serie über Liebeskummer-Praxen stellen wir diesmal Sabine Weiss vor. Wir wollten von ihr wissen, was eine Trennung erträglich macht
Eric Hegmann: Wie würden Sie Liebeskummer beschreiben?
Sabine Weiss: Liebeskummer ist entwaffnend. Unerbittlich. Wild. Wunderschön. Und gnadenlos.
Das klingt als würden Sie Liebeskummer bewundern?
Ja, manchmal tue ich das. Weil ich der Meinung bin, dass Liebeskummer das am meisten unterschätzte Symptom ist, das gleichzeitig noch immer völlig laienhaft im Alleingang versucht wird zu kurieren. Ein gebrochenes Bein? Ab in die Ambulanz! Ein gebrochenes Herz? Das schaff ich schon allein.
Und warum klappt das nicht?
Wer zu mir findet, hat meist gerade eine Trennung hinter sich und sieht sich mit einem Ausmaß an Schmerz konfrontiert, dass allein kaum noch zu bewältigen scheint. Das ist der Teil, den ich so wild und entwaffnend und trotzdem auch wunderschön finde. Weil er ganz klar aufzeigt „Bitte, hier tut etwas weh, kümmere dich darum!“ und damit ein wunderbarer (wenn auch verhasster) Helfer ist.
Aber geht Liebeskummer nicht irgendwann von alleine vorbei? Es heißt doch, die Zeit heile alle Wunden.
Ich berate auch viele Menschen, deren Trennung schon etwas länger zurück liegt und die trotzdem irgendwie keine Heilung erfahren. Das ist der Anteil, den ich auch so gnadenlos und auf seine Weise auch wunderschön finde. Denn wenn Liebeskummer einfach nicht und nicht vergehen will, dann hat man etwas übersehen. Das ist immer so mein Ansatz dazu. Schmerz, der nicht vergeht, hat in den meisten Fällen weniger mit dem Ex-Partner zu tun als mit sich selbst. Und der Liebeskummer kommt dann immer wieder und meldet sich in regelmäßigen Abständen so lange, bis man endlich die richtige Frage stellt.
Wie arbeiten Sie mit Ihren Klienten?
Wenn Liebeskummer ein Symptom ist, dann ist es meine Aufgabe mit meinen Klienten gemeinsam die Ursache herauszufinden. Es gibt diesen Begriff der medizinischen Erstverschlechterung. Das bedeutet, dass es Patienten nach einem Eingriff vorübergehend schlechter geht als vorher. Dafür tritt danach umso schneller eine Verbesserung ein, die sonst gar nicht möglich gewesen wäre. Und diese Art von Lernkurve zeigt sich auch in unserer Zusammenarbeit oft, weil gerade am Anfang noch ein beträchtlicher Teil von Verleugnung da ist. Und wenn dann alles aufbricht und man erkennt, dass es vorbei ist und daran auch nichts zu rütteln ist – dann tut das erst mal ziemlich weh, befreit aber auch sehr. Ich bin eine begleitende Stütze, eine Vertraute, die zuverlässig da ist, nicht urteilt, sich alles anhört auch wenn es sonst niemand mehr hören kann und Sie mit den richtigen Fragen durch den Schmerz hindurch und aus diesem Tief herausführt. Grundsätzlich arbeite ich fast ausschließlich nur noch online. Das klappt dank Skype und Telefon ganz wunderbar und zeigt auch den Vorteil, dass meine Klienten daheim in den eigenen vier Wänden sind und sich dabei auch sicher fühlen.
Gibt es eine bestimmte Methode, nach der Sie vorgehen?
Ich bin ein großer Fan von „Lernen am Modell“. In meinem neuen Buch „Herzb(r)uch Erste Hilfe bei Liebeskummer“ habe ich Menschen interviewt, die massive Trennungen in kürzester Zeit überwunden haben. Ich wollte wissen, wie das geht und habe die Strategien im Detail herausgearbeitet. Auf Basis dieser Interviews habe ich vor Jahren meine Praxis eröffnet und seitdem die einzelnen Prozesse laufend verfeinert. Und das habe ich aus reinem Selbstnutz getan – ursprünglich. Denn auch ich habe eine Trennung erlebt, die mich bis ins Mark erschüttert hat und ich kam einfach nicht mehr aus diesem Loch heraus. Sämtliche Hilfen und vor allem Bücher, die es damals am Markt gab, haben mich nicht weiter gebracht. Heute kann ich mich einfühlen in die jeweiligen Thematiken und bin trotzdem völlig heil. Und genau das ist mein Ziel auch immer für meine Klienten. Das und trotz einer Enttäuschung mit mutigen und offenen Herzen durchs Leben zu gehen.