Ist die Sprache der Liebe Deutsch?

Wie wir von der Liebe sprechen und warum die Deutschen vielleicht doch Gefühle haben. Ein Gastbeitrag über die Worte der Liebe von Nicola Stefan

Sprache prägt unser Denken oder unser Denken prägt die Sprache. So richtig einig ist man sich da nicht. Wird unser Charakter, unsere ganze Kultur von unserer Sprache beeinflusst? Oder doch umgekehrt?

Und wie ist das mit der Liebe?

Die deutschsprachigen Kulturen gelten im internationalen Vergleich nun nicht unbedingt als besonders emotional. Die Deutschen seien hart und sachlich, die Österreicher etwas zu gemütlich, die Schweizer ein wenig bieder. Die Liechtensteiner vielleicht irgendwo dazwischen. Aber so impulsiv wie die Italiener schätzt uns doch niemand ein, nicht so romantisch wie die Franzosen, nicht so heißblütig wie die Spanier, nicht so sentimental oder melancholisch wie die Tschechen oder die Russen. Wenn es jedoch stimmt, dass unsere Sprache viel über unseren Charakter aussagt, dann ist es doch interessant, dass ausgerechnet das Deutsche eine recht breite Palette an Ausdrücken und Begriffen bereithält, um darüber zu sprechen, wie wir sie empfinden, die Liebe.

Denn ein ‚Ich liebe dich’ beschreibt oft nur eine von mehreren Nuancen unserer liebevollen Gefühle zu einem Menschen. Davor (oder daneben) können wir jemanden ‚lieb haben’, ‚gern haben’, ‚sehr mögen’ und natürlich auch ‚verliebt sein’.

Dürfen wir nur bestimmte Menschen lieben?

Eine Frage, die nicht deutschsprachige Menschen oft vor ein großes Rätsel stellt: Wann sagt man im Deutschen nun „lieb haben“ und wann „lieben“? Viele finden darauf für sich sofort eine Antwort. Doch eine klare Antwort kann es im Grunde gar nicht geben, denn die Grenzen sind nirgendwo klar definiert. Kein Wörterbuch kann uns also erklären, wann wir was fühlen. Wir können unseren Partner „lieben“, aber auch unsere Kinder und Geschwister. Wir können unser Kind „lieb haben“, genauso wie die Liebe unseres Lebens oder unsere besten Freund(innen).

Einige argumentieren, „lieb haben“ sei doch weniger stark als jemanden wirklich zu „lieben“. Wenn dem so ist, warum sagen wir „Ich hab’ dich lieb“ zu unseren Kindern, die wir mehr lieben alles andere?

Andere meinen, beim „Lieben“ handle es sich um partnerschaftliche Liebe und „lieb haben“ können wir jemanden nur in platonischen Beziehungen. Ist das so? Warum sagen wir dann unseren Lebenspartnern „ich hab’ dich lieb“ und warum sprechen wir davon, dass wir unsere Familie, unsere Kinder, Mütter, Väter oder Geschwister so sehr „lieben“?

Genau. Es gibt keine Regeln und auch keine Exklusivität. Wir dürfen lieben und lieb haben wen wir wollen. Allerdings – wenn es darum geht, keinen Menschen sondern eine Sache zu lieben, einen Song, einen Schuh, eine Jahreszeit… dann ist es nie „lieb haben“ sondern immer „lieben“. Interessant, oder?

Ein paar Worte zum Verliebtsein.

Ein Zustand, der zwar oft zur Liebe gehört, aber gar nicht unbedingt etwas mit Liebe zu tun hat, ist das Verliebtsein. Ein Gefühl, über das wir besonders gerne sprechen und wofür wir auch besonders viele Wörter finden: Wir können verknallt, verschossen oder vernarrt sein. Wir können uns auch in jemanden verguckt bzw. verschaut haben. Unsere Sprache zeigt hier ganz genau, wie sich dieses Gefühl von der Liebe unterscheidet:

Es ist ein Schuss und ein Knall und ein bisschen töricht ist es auch.

Es hat mit ersten Eindrücken zu tun, mit dem, was wir sehen, solange wir noch nicht so richtig wissen, was wirklich hinter dem Sichtbaren steckt. Ein tolles Gefühl und doch nur der mögliche Anfang eines noch viel schöneren. Ein berauschender Zustand und manchmal auch ein wenig bedrohlich, wenn das Gefühl etwa „bis über beide Ohren“ geht und wir Angst haben, in ihm zu ertrinken. Und wie bei jedem Rausch kann es passieren, dass wir immer immer mehr davon wollen.

Wir unterscheiden also in der Sprache der Liebe. Wir finden unterschiedliche Wörter für die Zuneigung, die wir empfinden. Was das wohl über uns aussagt? Vielleicht, dass wir doch besonders gefühlvoll sind, weil wir so differenziert über die Liebe sprechen. Oder besonders sensibel, weil wir so sorgsam mit unseren Worten umgehen. Doch vielleicht bedeutet es auch einfach, dass wir die Liebe, so wie vieles andere, gerne klassifizieren wollen, um die deutsche Ordnung in unseren Köpfen auch in Liebesdingen herzustellen. Wie dem auch sei, wir schaffen es ohnehin nicht, strikte Grenzen zwischen Gefühlen zu ziehen und ihre Zuständigkeitsbereiche genau abzustecken. Das ist auch sicher gut so. Aber viele Worte für sie zu finden – das ist doch mindestens genauso gut.

Übrigens: Wussten Sie, das das Wort „schmusen“ aus der sogenannten Gaunersprache kommt? Was es damit auf sich hat, können Sie in folgendem Artikel nachlesen.


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