Wie ist es, wenn man nichts fühlt? Jana Seelig schreibt über die Depression, die ein Teil ihres Lebens ist — aber ihr Leben nicht mehr bestimmt
Als sie auf Twitter ganz offen über ihre Depressionserkrankung sprach, ist sie damit zu einer starken Stimme vieler Betroffener geworden. Sie erzählte davon, wie es ist, wenn man alles Mögliche versucht, um überhaupt etwas fühlen zu können.
Wir haben Jana Seelig zum Interview getroffen und mit ihr über die Depression, aber auch über die Liebe gesprochen.
Lässt sich in Worten ausdrücken, was ein Mensch fühlt, der an einer Depression leidet?
Jana Seelig: Das ist sehr schwierig, finde ich. Ich beschreibe es am liebsten mit “nichts fühlen”, also absoluter Leere, aber vermutlich ist dieses Nicht-Gefühl für Menschen, die nicht betroffen sind, schwer nachvollziehbar.
Was bedeutet für Sie, trotz einer Depression ein normales Leben zu führen? Ist das überhaupt möglich?
Ja, das ist möglich. Wichtig ist, dass man sich in Behandlung gibt und lernt, mit der Depression umzugehen. Für mich bedeutet “ein normales Leben führen” all die Dinge zu tun, die ich auch ohne Depression tun würde.
Wie kommt es, dass hierzulande das Thema Depression weiterhin stiefmütterlich behandelt wird, obwohl einige Stimmen bereits von einer „Volkskrankheit“ sprechen und große Stiftungen wie die Deutsche Depressionshilfe massive Aufklärungsarbeit leisten?
Sofern man nicht betroffen ist – entweder selbst oder weil man depressive Menschen im eigenen Umfeld hat – ist es ein Thema, das vermutlich einfach nicht von Bedeutung ist. Man beschäftigt sich ja allgemein eher selten mit Dingen, mit denen man im eigenen Leben nicht ganz bewusst konfrontiert wird.
Hat Sie die Depression daran gehindert, sich auf eine Beziehung einzulassen?
Nein, noch nie. Es ist für mich persönlich zwar teilweise sehr schwierig, überhaupt Gefühle zuzulassen, aber wenn ich erst mal verliebt bin, dann kann auch die Depression mich nicht mehr daran hindern, mich voll und ganz auf eine andere Person einzulassen. Vermutlich ist an dem Satz, dass Liebe alles überwindet, tatsächlich etwas dran.
In „Minusgefühle“ nimmt die Liebe – glücklicherweise – viel Raum ein. Wie wirkt sich Ihrer Erfahrung nach eine Depression auf die Beziehung aus?
Das ist sehr unterschiedlich und hängt in erster Linie vom Partner ab. Hat er oder sie kein Verständnis für die Depression, wird es schwierig. Ebenso, wenn beide depressiv sind. Es kann so für beide zu Arbeit werden. Mit dem richtigen Menschen spielt die Depression aber kaum noch eine Rolle in einer Beziehung.
Hat eine Depression auch eine gute Seite?
Für mich auf jeden Fall. Sie hat mich aufmerksamer und empfindsamer für die Probleme und Leiden anderer Menschen gemacht.