Bitte lächeln! Weshalb wir uns so gern auf Plattformen wie Instagram profilieren. Ein Leserbeitrag von Viktoria Vee
Der Mensch möchte sich mitteilen und zeigen und das ist nicht verwerflich. Weshalb fotografieren wir tagein, tagaus unsere lächelnden Gesichter, unser penibel in Szene gesetztes Essen, unsere Reiseabenteuer, die Dinge und Menschen, die wir lieben und schätzen, jegliche Art von Aktivität, legen Filter darüber und sinnieren stundenlang über die passenden Worte und Hashtags dazu? Hashtag outfitoftheday, Hashtag Liebe, Hashtag Fitness, Hashtag healthylife, Hashtag Deimuadda. Einerseits erscheint es sinnlos und manchmal schämt man sich sogar ein wenig, wenn man innerhalb von drei Tagen fünf Bilder hochlädt und sich sogar zusammenreißen muss, nicht fünfzig daraus zu machen.
Seht an, wie schön mein Haar in der Sonne glänzt, wie schön der Ort ist, an dem ich lebe, wie voll meine Lippen sind, wie flach mein Bauch, wie sehr ich mich um meinen Kleidungsstil bemühe, wie atemberaubend der Ausblick aus dem Flugzeug und wie vielversprechend meine damit verbundene Reise ist!
Seht es euch an, denn ich will gesehen werden!
Wie liebevoll ich meine Nahrung zubereite und welchen Blick ich für die schönen Dinge habe. Wie gewitzt und einfallsreich meine wenigen Worte zu den Bildern sind. Seht euch an, welche Perspektive ich auf die Welt habe. Seht es euch an, denn ich will gesehen werden. Alles, was sich dahinter verbirgt, ist der Wunsch danach gesehen zu werden. Nehmt mich wahr und seht euch an, wie ich versuche mein Leben auszukosten.
Wir sind soziale Wesen und sehnen uns nach Gemeinschaft, sehnen uns so sehr danach, kostbare Momente zu teilen und werden gleichzeitig immer egoistischer, streben nur nach unserem eigenen Vorteil und verstecken uns hinter Tinder, der Anonymität und unseren wenigen Liebsten. Und niemand gibt gern zu, dass er sich manchmal einsam fühlt.
Niemand gibt gern zu, dass er sich manchmal einsam fühlt
Wie schön wäre es, auf die Straße zu gehen und seinen Mitmenschen mitzuteilen, wie froh man über den gestrigen Ausflug in die Berge ist, wie göttlich die Stille war, die man beim Wandern genossen hat, wie schön es im Allgemeinen ist, bei sich zu sein. Was wär das für ein bereicherndes Gefühl, sich Fremden tatsächlich mitteilen zu können und Begeisterung in ihnen auszulösen. Erkenntnisse zu teilen. Was wär die Welt reicher und positiver.
Und weshalb liegt dieser Vorstellung eine solche Utopie zugrunde? Ich wünsche mir und euch, dass wir von unserer Unsicherheit ablassen und mehr Raum schaffen für die Liebe, die sich in all dem widerspiegelt. Sie zeigt sich in jedem dieser Bilder: die Liebe zur Sonne, zum Meer, zum Himmel, zur Nacht, zum eigenen Körper, zum gesunden Lebensstil, zur Bewegung, zur Fotografie, zum Detail, zum Ideenreichtum, zur eigenen Begeisterungsfähigkeit, zur Schönheit in ihren vielfältigen Facetten.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Ich habe heute kein Bild für euch, aber die Hoffnung, dass knapp fünfhundert Worte ausreichen könnten, um ein wenig mehr Platz für Liebe und noch mehr Raum für Selbstliebe zu schaffen.
Und ich wünsche uns allen mehr Mut, um diese wieder mehr auf andere Weise zeigen zu können. Heute schreibe ich, weil ich das Schreiben liebe. Damit zeige ich mich, meine Gedankenwelt, meinen Hang zur Nostalgie, meine eigene Unsicherheit und bekenne mich damit dazu, dass auch ich gesehen werden will. Morgen lade ich vielleicht wieder ein Bild hoch, denn wie sollte ich sonst mitteilen, wie glücklich mich der Frühlingsanfang macht? Hashtag lovewillcometosaveusall.