Ich seh‘ den Baum vor lauter Wäldern nicht mehr

Wir denken episodisch

Zum anderen sind wir auch dem Beenden eines Kontakts gegenüber offener eingestellt. „Er tut mir nicht gut, also muss er weg“, „Er ist nicht der Richtige“, „Er war nur ein Notnagel“, und „Er war eine nette Erfahrung“ sind typische Phrasen unserer Zeit. Wir denken viel episodischer als früher. Und auf eine Episode folgt bekanntlich eine andere.

Wenn man beides – schnelleres Kennenlernen und schnelleres Verabschieden – zusammennimmt, kommt dabei das Phänomen heraus, dass man zwar die eine große Liebe möchte, sich dabei aber mit einer Vielzahl vermeintlicher „Liebesoptionen“ beschäftigt. Unter anderem Dating-Apps, aber auch unserem oben angesprochenen Gesinnungswandel sei Dank. Oft stellt sich sogar ein gewisses Unbehagen ein, wenn diese Liebesoptionen, die wir fast schon wie selbstverständlich nehmen, wegfallen. Denn unserer Eitelkeit und Unsicherheit tut es natürlich gut, dass nach einem Verlust immer schon eine „schnelle Kompensation“ in Sicht ist.

Am Ende sehen wir den Baum vor lauter Wäldern nicht mehr.

Wir sollten in diesem Fall lernen, unser Bewusstsein zu verschieben. Auch wer in den Wald sieht, kann den einzelnen, schönen Baum, den wir eigentlich wollen und der uns bereits völlig genügt, sehen. Man muss ihn einfach fokussieren. Diese „Blickverengung“ ermöglicht überhaupt erst Gefühle, die ähnlich tief und intensiv sind wie damals, als wir unsere erste große Liebe anschmachteten.


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